Ein Schweizer in Irland

von Max E. Blunier

Wie alles begann

Anfang der 60-er Jahre. Die Flugreise nach Irland kostet ein halbes Vermögen, derweil Heinrich Böll über Achill Island wandert und ein Land beschreibt, das all die, die mehr als 40 Jahre später zum Preis von ein paar Pint Guinness auf die Grüne Insel fliegen, nicht mehr finden. Und dann war da ein Schweizer Koch, den es nach Irland verschlagen hatte. Max Blunier erzählt:

 
Wer ich bin?

Max E. Blunier 2007Ein normaler Schweizer Bürger mit allen Ecken und Kanten! Manchmal ein bisschen stur (wenn es um die französische Küche geht), aber sonst immer offen für Neues und natürlich liebenswürdig. Wie könnte es auch anders sein, ich war schließlich in Irland!

Ich kann mich in mehreren Sprachen verständigen, zum Beispiel auf Deutsch (auch Schwyzerdeutsch), Französisch, Italienisch, Spanisch und Englisch. Sollte ich meinen Körper mal mit „Uisce beatha“ beglückt haben, gelingen mir sogar ein paar Wörter auf Gälisch. Aber eben selten. Werde daran arbeiten!

Eigentlich hatte ich Großes im Sinn. Zuerst wollte ich Cowboy werden, natürlich in Amerika, und mit dem eigenen Pferd in die Schweiz zurückreiten, dann Rheinschiffermatrose. Damit war mein Vater nicht einverstanden; absaufen, meinte er, könne ich auch in der Aare. Aufgewachsen auf einem Bauernhof als fünfter von sieben Söhnen, der Vater ein passionierter Kavallerist, die Mutter eine Bayerin: das musste eine spezielle Mischung geben. Nach der Schule absolvierte ich am Genfersee eine Kochlehre und wollte ein berühmter Küchenchef wie Escoffier werden. Aber es kam anders, die irischen Leprechauns spielten da nicht mit. Nun, schön waren die Luftschlösser dennoch, und sie sind es bis heute geblieben.

 
Gestrandet auf der grünen Insel

Wir schreiben das Jahr 1962. Ich hatte meine Lehrzeit als Koch hinter mir, eine Sommer- und Wintersaison überstanden, auf der MS Maasdam (Holland-Amerika-Linie) Seeluft geschnuppert, kurz New York/Hoboken besucht und auf der Rückfahrt von einer Cruise die weiß getünchten Häuser an der irischen Küste bewundert. Mich zog es in die Fremde, nach Übersee, Karriere machen war mein Ziel. Aberdeen in Schottland sollte der Startpunkt zu dieser Karriere werden, aber da war gerade eine Salmonellen-Epidemie ausgebrochen und man ließ uns nicht rein. So landete ich auf ein Chiffre-Inserat hin im Dubliner Intercontinental Hotel an der Ballsbridge Landsdowne Road, das gerade seine Pforten öffnete.

Irland lag wirtschaftlich 10–15 Jahre hinter dem Kontinent zurück, und im Mittelpunkt der Pubgespräche stand immer noch der Osteraufstand von 1916 im General Post Office an der O’Connell Street, direkt bei dem fu... (sagt man nicht) Nelson Pillar. Übrigens ein idealer Treffpunkt für Liebespaare. Er wurde zu meinem Geburtstag am 8. März 1966 durch die IRA in die Luft gesprengt, wobei der „Sprengmeister“ vermutlich weniger meinen Geburtstag, als den 50. Jahrestag des Osteraufstandes huldigen wollte.

Auf dem europäischen Kontinent war man dabei, die Kriegsereignisse zu vergessen oder zu verdrängen. Das Wirtschaftswachstum stieg von Jahr zu Jahr, heute sagt man es boomt, und allerorten wurden Arbeitskräfte gesucht. Auch Irland wollte nicht abseits stehen und suchte sich auf den künftigen Märkten zu etablieren. Eine Reihe von Firmen hatte sich bereits im Lande angesiedelt und man brauchte qualifizierte Mitarbeiter. Die Amerikaner, die in Deutschland europäische Luft inhaliert hatten, drängten besonders in die Gastronomie, den Tourismus und die Automärkte. Die Intercontinental Hotel Corporation eröffnete Hotels in Dublin, Limerick und Cork. 1963 besuchte JFK Berlin, wurde vom Iren zum „ich bin ein Berliner“ und besuchte anschließend seine Verwandten in Irland – Roscrea, wenn ich mich nicht irre –, um wieder zum Iren zu werden.

Dann verschlug es mich zur Eröffnung des Intercontinental nach Limerick, und erst hier sollte ich richtig Englisch lernen. In Dublin hatte man meist Schwyzerdeutsch oder Gutdeutsch gesprochen, denn der Küchenchef war ein Schweizer aus Miami Beach und die zwei deutschen Sous Chef über Beirut nach Irland importiert worden.

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Ein Schweizer Koch in Irland – © 2005 Max E. Blunier & Jürgen Kullmann