Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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Wohnen auf Irisch

Nach der Ankunft in Irland begann die Suche nach einer Bleibe. Traditionell wohnen die meisten Iren im eigenen Haus; zur Miete zu wohnen ist unüblich, und jeder versucht, so bald wie möglich das eigene Häuschen zu erwerben. Zumindest war das 1994 noch so, inzwischen wohnt man häufiger zur Miete, weil die Hauspreise seit Jahren in unermessliche Höhen klettern. Dennoch – oder gerade deshalb – bauen immer mehr im Umland, und es werden in den an Dublin grenzenden Counties wie Kildare oder Meath riesige „Estates“ mit gleich aussehenden Eigenheimen hochgezogen. Die Konsequenz: Tausende pendeln täglich nach Dublin zur Arbeit, mitunter von so weit entfernten Städten wie Drogheda im Norden oder Arklow im Süden.

So begaben wir uns denn mit Hilfe eines Maklers auf Haussuche. Das Angenehme in Irland ist, dass nicht der Mieter, sondern der Vermieter den Makler bezahlt. Das skurrilste Haus, das uns angeboten wurde, war ein „Cottage“ auf dem Gelände eines Golfplatzes zwischen Shankill und Bray: Zubetonierter „Garten“, unebene Wände, ältliches Interieur und ein Standard, der vermutlich aus den sechziger Jahren stammte. Nein danke!

MaltingsWir entschieden uns schließlich für ein brandneues, möbliertes Haus in einem Estate im Herzen von Bray. Ein hübsches kleines Häuschen, dazu überraschend geschmackvoll möbliert, d.h. ohne den sonst so häufig anzutreffenden Overkill verschiedenster gegeneinander konkurrierender Blumenmuster. Und es gefiel uns, weil wir die ersten waren, die in der Küche kochten, auf dem Sofa saßen und in den Betten schliefen. In diesem Haus wohnten wir viereinhalb Jahre lang. Mehr oder weniger zufrieden, muss man sagen, denn der Baustandard ist ein anderer als in Deutschland. So etwas wie Wärmeisolierung kann man vergessen: kaum stellt man die Heizung ab, wird es kalt im Haus. Na ja, dann lässt man sie eben an – so besonders kalt wird es im maritimen irischen Klima ja nicht. Und die Schallisolierung hätte sich sicherlich so weit verbessern lassen, dass man dem Nachbarn morgens im Bad nicht beim Abhusten hätte zuhören müssen.

Für unseren Vermieter war das Haus ein Anlageobjekt. Die Verwaltung hatte er einer Hausverwaltungsgesellschaft übertragen, und er selbst kümmerte sich herzlich wenig darum. Auch als im Bad eine undichte Stelle auftrat und nasse Flecke an der Wohnzimmerdecke erschienen, war das kein Grund für ihn, etwas zu unternehmen. Dazu musste es erst von der Decke tropfen – wir hatten im Wohnzimmer Eimer aufgestellt – und wir mit ihm dem Gesundheitsamt drohen! Als Mieter ist man in Irland praktisch rechtlos, einen Mieterschutz wie in Deutschland gibt es nicht und Mietkürzung als Druckmittel fällt aus: Egal, wie sehr sich der Vermieter durch Nichtstun ins Unrecht setzt, sobald der Mieter die Miete kürzt, hat er den Vertrag gebrochen und kann vor die Tür gesetzt werden! Unser Mietvertrag wurde immer für jeweils ein Jahr abgeschlossen, und mit jedem neuen Jahresvertrag kam eine saftige Mieterhöhung. Wir sahen uns in der Folgezeit einige Male nach etwas anderem um, stellten aber immer wieder fest, dass wir noch relativ günstig wohnten, und blieben in unserem Häuschen, in dem wir uns – abgesehen von der nassen Decke und diversen Kleinigkeiten – auch wirklich wohl fühlten.

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer