Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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Alarm im Wohnbezirk

Die Nachbarschaft bekam gleich bei unserem Einzug Gelegenheit, uns kennen zu lernen. Das lag an der Alarmanlage, mit der jedes irische Haus, das etwas auf sich hält, ausgestattet ist. Der Code war uns genannt worden. Ich hatte ihn mit vor Aufregung zitternden Fingern in die piepende Tastatur getippt, musste jedoch eine Ziffer verpasst haben, und so wussten nach wenigen Sekunden alle, dass wir da waren. Das Nette an unserem Estate war, dass sich die Nachbarn durchaus um dergleichen kümmerten, und wenn irgendwo eine Alarmanlage losging, machte sich stets jemand auf und sah nach. Das ist nicht die Regel, denn es haben in Irland so viele Häuser und Autos ständig aus unerfindlichen Gründen aufheulende Alarmanlagen, dass die Reaktion meist darin besteht, genervt mit den Augen zu rollen und die Sache zu ignorieren.

Unser Haus in BrayDen ultimativen Alarmanlagen-Horror erlebten wir Ostern 1998. Am Gründonnerstag wollten wir abends mit einer Freundin ins Theater. Bevor wir das Haus verließen, ging in dem Haus schräg links hinter dem unseren die Alarmanlage los.

Ich muss dazu erklären, dass unser Häuschen ein Reihenhaus der besonderen Sorte war: nicht nur rechts und links, sondern auch an der Rückseite schlossen sich Nachbarhäuser an. Es grenzten also fünf Häuser an das unsere: eines links, eines schräg links hinten, eines hinten, eines schräg rechts hinten und eines rechts.

Als wir am Abend aus der Stadt kamen, dudelte die Alarmanlage immer noch. Nun beschlich uns das hässliche Gefühl, die Bewohner könnten über das Osterwochenende aufs Land gefahren sein und erst am Sonntag heimkommen. Wir schliefen mit einem Stirnband über dem Kopf, darunter über jedes Ohr geklemmt ein Sockenknäuel. Am nächsten Tag versuchten wir alles Mögliche, um die Anlage abschalten zu lassen: Anruf beim Notdienst der Hausverwaltung (keiner da, der Ahnung hatte) und der Polizei, die uns erklärte, sie dürfe nicht in Privatbesitz eindringen. „Fair enough“, meinten wir, „und was ist mit dem Lärm?“ So quartierten wir uns übers Wochenende bei Freunden ein und kamen erst am Sonntagabend zurück. Doch oh Schreck: die Alarmanlage heulte immer noch auf vollen Touren! Worauf wir uns im Kino um die Ecke den Untergang der Titanic (Überlänge, wie praktisch!) ansahen. Bei unserer Rückkehr lief der Alarm immer noch. Also noch eine Nacht mit Lärm! Am nächsten Tag, endlich wieder ein Werktag, stellte sich heraus, dass das Haus unbewohnt war, und die Hausverwaltung beorderte jemanden dorthin, der den Alarm abstellte. Welch erquickende Stille! Als der Mensch das Haus verließ, hörten wir das Piepsen der Tasten – die Anlage wurde wieder scharfgeschaltet. Oh nein ...!

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer