Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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Bray, Co. Wicklow

Bray ist ein bekannter Badeort im County Wicklow, direkt vor den Toren Dublins. Als Badeort hat die Stadt schon bessere Tage gesehen, zumindest lassen dies die zum Teil beeindruckenden Gebäude der Hotels und B&Bs an der Strandpromenade vermuten. Wir wohnten dort sehr gerne und waren immer wieder erstaunt, verwundert und glücklich, dass wir am Meer wohnen durften. Ein Spaziergang von zehn Minuten brachte uns an die Promenade, und das Meer war jedes Mal anders: mal Ebbe, mal Flut, mal war es glatt und mal zeigte es sich wild mit über die Promenade klatschenden Brechern. Der Strand ist in weiten Bereichen sehr kieselig, und ich fand bei nahezu jedem Ausflug schöne Steine, die unbedingt mitgenommen werden wollten und anschließend das Fensterbrett in unserem Wohnzimmer zierten. Mich lud der Strand nicht so sehr zum Baden ein; zum einen bin ich trotz meiner norddeutschen Herkunft keine Wasserratte und zum anderen ermunterte mich die Irische See als eines der radioaktivsten Meere der Welt nicht sonderlich, mit ihr in Kontakt zu treten – abgesehen davon, dass sie unverschämt kalt ist! Im Gegensatz zu meinem Mann, der als hartgesottener Schwimmer furchtlos ins Wasser ging, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot. Auch stand ihm die zartrosa Hautfärbung, die er häufig beim Entsteigen des Meeres hatte, ausgesprochen gut ...

Sollten Sie nach Bray kommen, so kann ich Ihnen einen Besuch im Escape empfehlen, wenn es das dann noch gibt. Das Escape ist ein vegetarisches Restaurant an der Strandpromenade, geführt von einem Unikum. Ich nannte ihn immer „den alten Seebär“, obwohl ich nicht die geringste Ahnung habe, was er in seinem früheren Leben gemacht hatte – er sah einfach nach einem solchen aus. Die Speisekarte trug er persönlich vor: „ ... a spinach and mushroom bake done in a light creamy sauce ...“ Ausgesprochen lecker essen konnte man dort! Gleichzeitig stand Kunsthandwerk zum Kauf aus, bunt und urig.

BrayAm Ende der Promenade liegt Bray Head, ein kleines Vorgebirge. Der Aufstieg ist etwas anstrengend, aber kein wirkliches Problem, und man wird durch einen herrlichen Ausblick belohnt. Ein beliebter Spazierweg verläuft unterhalb von Bray Head die Küste entlang nach Greystones. Dort kehrt man auf einen Tee oder ein Pint im Pub am Hafen ein oder gönnt sich eine Portion Pommes. Der Bus bringt den müden Wanderer dann wieder nach Bray zurück. Diese Küstenstrecke wurde allerdings mit der Zeit immer schwieriger zu begehen, da Teile des Weges nach starken Regenfällen durch Erdrutsche weggespült wurden.

Bray hat auch ein kleines Kino, zum Glück nicht weit von unserem Haus entfernt. Nicht lange nach unserem Einzug hatten wir abends gekocht und wollten uns noch einen Film ansehen. Ob es nun am Essen lag, oder woran auch sonst, kurz nach Beginn der Vorstellung wurde mir fürchterlich schlecht und wir mussten die Vorführung verlassen. Als wir im Vorraum des Kinos zögerten, ob wir wieder in den Saal zurück gehen sollten, bekamen die Mitarbeiter dies mit: „Das sei ja jammerschade, dass wir so früh rausmüssten“, meinten sie, „wir hätten ja kaum etwas vom Film gesehen!“ Und wir bekamen einen Gutschein für einen Ersatzbesuch. Ich glaube, so etwas passiert nur in Irland.

Nicht weniger nett und hilfsbereit als die Kinoangestellten waren unsere Nachbarn, wofür wir ihnen an einem Freitagabend besonders dankbar waren. Frank und ich waren, wie es üblich ist, nach Feierabend mit Kollegen ins Pub gegangen. Bei einem Pint blieb es natürlich nicht, und so kehrten wir erst zu vorgerückter Stunde nach Hause zurück. Große Entrüstung: wer steht denn da vor unserem Haus auf unserem Parkplatz?! Ein deutsches Auto, das ist ja witzig! Nanu, dazu noch mit einem Mönchengladbacher Kennzeichen; was für ein Zufall, wo wir doch in einigen Tagen Besuch von dort erwarten. Langsam drehten sich die Rädchen in unseren Köpfen und uns wurde klar, dass wir uns mit dem Ankunftsdatum unserer Freunde vertan hatten. Während wir uns im Pub amüsierten, hatten sie Asyl bei unseren Nachbarn gefunden und waren von ihnen mit Sandwichs und Tee bewirtet worden. Man hatte sich glänzend unterhalten! Natürlich waren wir erleichtert, dass sich ihr Warten so angenehm gestaltet hatte, aber die ganze Sache war uns ausgesprochen peinlich!

Schließlich noch ein Lob auf die irische Post: Selbst Sendungen mit der Angabe „27 The Maltings, Co. Wicklow“, d.h. ohne Nennung der Stadt, wurden korrekt zugestellt. Als wir den Briefträger darauf ansprachen meinte er, „The Maltings“ gäbe es doch nur einmal in County Wicklow, das sei ja nun wirklich nicht schwer! Ihren Schnelligkeitsrekord stellte die Post, soweit ich das beurteilen kann, während meines Auslandssemesters auf. Zu jener Zeit gab es noch eine zweite Zustellung am Tag, die man ansonsten nur aus alten Agatha-Christie-Krimis kennt, und damals erreichte mich einmal mit der Nachmittagspost ein Brief meiner Eltern, den diese am Vortag in Deutschland aufgegeben hatten.

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer