Katjas irischer Flickenteppich

von Katja Heimann-Kiefer

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Mein Leben als Alien

Das Alien Office: Befremdliches für Fremde

Als in Irland wohnende Ausländer hätten wir uns eigentlich beim „Alien Office“ melden und eine Aufenthaltserlaubnis holen müssen. Da uns diese als EU-Bürgern nicht verweigert werden durfte und wir unsere offiziellen Wohnsitze weiterhin in Deutschland hatten, sahen wir jedoch keine Notwendigkeit, uns dieser bürokratischen Übung zu unterziehen. Doch nachdem wir 1997 in Deutschland geheiratet hatten, wollten wir auch offiziell einen gemeinsamen Wohnsitz haben, und so stand ein Besuch des Alien Office an.

Alleine dieser Name und die Vorstellung, als „Alien“ bezeichnet zu werden, stieß uns sauer auf (und tut es heute noch). Die Behörde entpuppte sich als genauso unmöglich wie ihr Name. Am Eingang musste man eine Nummer ziehen und anschließend warten ... und warten ... und warten. Der kleine Warteraum war voll von Menschen aus aller Herren Länder, darunter etliche kleine Kinder. Als ich während der langen Wartezeit mal musste, wurde ich zum Hotel-Restaurant auf der anderen Straßenseite geschickt. Und so die Mütter mit ihren Kindern. Wie kann man Menschen zu sich bestellen und noch nicht einmal Toiletten für die „Kundschaft“ bereithalten, sich statt dessen auf ein unbeteiligtes Hotel verlassen, das zufällig in der Nähe liegt?!

AufenthaltserlaubnisIch bekam meine Aufenthaltserlaubnis und las auf der Rückseite, ich müsse mich nun unverzüglich bei der Polizei melden, ihr jede Wohnortsänderung mitteilen und sie bei mehr als einmonatiger Abwesenheit vom gemeldeten Wohnsitz informieren und vom Datum der geplanten Rückkehr in Kenntnis setzen. Na klar doch ... Ich bin sicher, hätten wir mit diesem Ansinnen bei der Garda-Station in Bray vorgesprochen, so hätte man uns ziemlich entgeistert angeguckt.

Es ist interessant, welche Gefühle das Alien Office und die damit zusammenhängende Bürokratie bei mir ausgelöst hat. Ausländern, vor allem nichteuropäischen, ergeht es auf deutschen Ausländerämtern ähnlich oder noch schlimmer – eine Freundin von mir ist mit einem Mann aus Gambia verheiratet und weiß da einiges zu berichten.

 
Geschwindigkeit ist keine Hexerei: Die deutsche Botschaft

Das Aufgebot zu unserer Hochzeit hatten wir in der deutschen Botschaft in Dublin bestellt, dort erhielt ich nach der Heirat auch meinen neuen Pass. Den habe ich heute noch und bin besonders stolz darauf, denn als ausstellende Behörde ist „Deutsche Botschaft Dublin“ eingetragen – so etwas hat nicht jeder! Einige Jahre zuvor hatte ich dort schon einmal einen vorläufigen Pass bekommen. Mein damaliger Arbeitgeber fragte mich an einem Dienstag Nachmittag, ob ich bereit wäre, am Samstag für vier Wochen nach Kalifornien zu fliegen. Das war ich, brauchte aber auf die Schnelle einen Pass. Und tatsächlich war es möglich, ihn in den verbleibenden drei Tagen über die Botschaft zu erhalten – eine super Leistung! Die französische Botschaft schaffte das nicht, und so konnte meine französische Kollegin erst einige Tage später nachkommen.

Die deutsche Botschaft akzeptierte auch die irische Form des Adressennachweises. Da es in Irland keine Meldepflicht und kein Einwohnermeldeamt gibt, werden Wohnort und die Anschrift nirgendwo amtlich festgehalten. Als Nachweis legt man semi-offizielle Schreiben vor, die mit der nachzuweisenden Adresse an einen selbst gerichtet sind, zum Beispiel die Gas-, Strom- oder Telefonrechnung, Kontoauszüge oder Kreditkartenabrechnungen.

 
Kein Kredit für Mieter

Apropos Kreditkarten ... Es kam der Zeitpunkt, an dem wir beschlossen, welche zu brauchen. Zahlung mit Kreditkarte ist in Irland viel weiter verbreitet als hierzulande. Fast könnte man sagen, was hier die EC-Karte, ist dort die Kreditkarte.

So stellten wir einen Antrag bei unserer Bank – der ohne nähere Angabe von Gründen abgelehnt wurde, obwohl ich ein festes und nicht schlechtes Gehalt vorweisen konnte. Da andere ausländische Kollegen ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, wir von einem irischen Bekannten aber wussten, dass er schon als Student ohne geregeltes Einkommen eine bekommen hatte, konnten wir uns nur einen Grund vorstellen: wir waren Ausländer. Daraufhin schrieben wir einen Brief an die Bank, berichteten von unserem Eindruck, man würde uns als Ausländer diskriminieren, und fragten, was die Bank dazu zu sagen habe. Kurze Zeit später erreichte mich an meinem Arbeitsplatz ein Anruf der Filialleiterin. Die Ablehnung habe absolut nichts mit unserer Herkunft zu tun, und sie würde uns nun in Gottes Namen Kreditkarten bewilligen. Aber wehe, wir würden das Limit auch nur um einen Penny überschreiten – dann würde sie sich sofort ins Auto setzen und uns persönlich die Leviten lesen! Unser Limit lag zwar im Vergleich zu den gängigen Summen lächerlich niedrig, reichte uns aber völlig aus, da wir mit den Kreditkarten lediglich ein Stück Unabhängigkeit von dem Inhalt unserer Taschen und unseres Kontos haben wollten und keinesfalls beabsichtigten, größere Schulden zu machen.

Später fanden wir heraus, dass die Ablehnung vermutlich darauf beruhte, dass wir Mieter waren, etwas, was einer positiven Bonitätsbeurteilung meist ernstlich entgegensteht. Denn da es keine Meldepflicht im Lande gibt, kann man als Mieter ohne Nennung der neuen Adresse umziehen und ist dann für die Bank – oder wen auch immer – nicht mehr auffindbar. Schon bei der Ausleihe eines Videorecorders kann man Probleme bekommen, wenn man zur Miete wohnt; es gab tatsächlich Läden, die sich weigerten, uns als Mietern ein Gerät zu leihen.

 
Guck mal, was da fährt: Im Visier der Auto-Fahnder

Eine Kollegin kam eines Morgens völlig aufgelöst ins Büro: Als sie ihren Wagen vor dem Büro parkte, stiegen aus einem Auto hinter ihr zwei Männer und sprachen sie an. Sie seien ihr nun schon einige Tage lang gefolgt und sich sicher, dass sie nicht auf Urlaub in Irland sei, sondern hier lebe. Somit sei es nicht zulässig, mit einem deutschen Kfz-Kennzeichen unterwegs zu sein. Sie müsse das Auto innerhalb der nächsten Wochen in Irland anmelden (und natürlich irische Kfz-Steuer bezahlen) oder außer Landes schaffen. Das war ein herber Schlag für sie; nicht nur, weil man mit so einem Überfall nicht rechnet, sondern auch, weil ihrem geliebten Autochen damit eigentlich nur die Verschrottung blieb: Eine Reise nach Deutschland hätte der Wagen nicht überlebt und, davon einmal abgesehen, dort nicht im entferntesten Gnade vor dem TÜV gefunden. Und in Irland wäre kaum eine Versicherung bereit gewesen das Gefährt zu versichern, denn selbst bevor mit dem National Car Test (NCT) eine Art TÜV eingeführt wurde, gab es gewisse Grenzen.

Das war Anlass für uns, unser Auto in Irland zuzulassen. Wir hatten all die Jahre davon abgesehen, weil man sich erzählte, die irischen Kfz-Versicherungen seien so teuer. Wie sich jedoch herausstellte, zahlten wir letztlich nicht mehr als in Deutschland! Bald hatten wir ein waschechtes irisches Kennzeichen am Wagen und waren mächtig stolz darauf, doch leider sollte es uns nicht mal ein Jahr erhalten bleiben, denn wir kehrten im darauf folgenden nach Deutschland zurück.

 
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© 2004 Katja Heimann-Kiefer