Pete O’Briens Reisetagebuch

von Hans-Peter Detzner

Und wieder mit dem Bus durch Irland (1996)

Mit Gaeltacht nach Irland

Schon vor meiner Rückkehr im Mai ’95 stand fest, dass ich im Folgejahr wieder eine Tour durch Irland machen würde. Als ich den Urlaub dann genehmigt bekam, ging es ans Pläneschmieden. Buche ich meinen Flug ganz normal im Reisebüro oder rufe ich Aer Lingus an und buche dort direkt? Nein, diesmal mache ich es ganz anders! Warum sich nicht an Experten wenden, die ausschließlich Irland im Programm haben? So kam ich auf Gaeltacht Irland Reisen in Moers. Schade, dass man die nur telefonisch erreichen kann. Bei den heutigen Telefontarifen kann man sich lange Telefongespräche kaum noch erlauben. Wenn ich auch etliche Fragen hatte, beschränkte sich mein Gespräch so auf das Notwendigste. Ich erwähnte, dass ich mit den Expressbussen durch Irland fahren wollte. Ein Heraussuchen der von mir benötigten Verbindungen, das Kopieren und Zusenden der Seiten, all das wäre nun doch zuviel Aufwand gewesen. Also wurde kurzerhand entschieden, mir ein Exemplar des Busfahrplans zu schicken. Finde ich ganz toll!

Galway und Salthill

Abflugtermin 1. April 1996. Soll man bei einer Verzögerung von 30 Minuten tatsächlich schon von Verspätung reden? Unser Flieger war die Nummer 6 auf der Warteliste. Was hatte ich vor einem Jahr gelernt? Als Gott die Zeit schuf, hat er viel davon gemacht!

Wieder einmal hatte ich mir die Reiseroute nur grob zurechtgelegt. Zunächst einmal mit dem Flieger bis Dublin, dann einen Anschlussflug nach Shannon. Von da aus weiter mit dem Bus bis Galway und dort eine Unterkunft suchen. Aus Erfahrung wird man klug, und deshalb hatte ich mir ein Hostel in der Nähe des Busbahnhofs gesucht. Warum das Gepäck kilometerweit durch die Stadt schleppen?

Kennys Bookshop, © Juergen KullmannAm besten lernt man eine Stadt kennen, indem man sie durchwandert. So machte ich es dann auch, bewaffnet mit Fotoapparat und Videokamera. Hatte ich mir für den ersten Tag die Innenstadt von Galway vorgenommen (rechts Kenny’s Bookshop), ging es am nächsten Morgen ins nur wenige Kilometer außerhalb gelegene Salthill. Es sei ein Seebad, hieß es in diversen Reiseführern, doch solle man sich kein Borkum oder Norderney vorstellen, sondern eher so etwas wie das englische Brighton im Kleinformat. Klar, dass um diese Jahreszeit noch nichts los war.

Obwohl es einer der wenigen sonnigen Tage war, war es recht kühl. Umso mehr wunderte ich mich, dass sich einige ältere Männer in das kalte Wasser wagten. Schon bei dem Anblick kam mir der Gedanke an Glühwein oder Grog. Tags zuvor hatte ich in einem Musikgeschäft zwei Tin Whistles erstanden. Auf dem Rückweg von Salthill versuchte ich, auf einer davon eines meiner Lieblingsstücke zu spielen. Wie ich so vor mich hin blies, passierte ich zwei junge Mädchen. Ich war bereits ein gutes Stück von ihnen entfernt und setzte immer wieder an, der unscheinbaren Blechflöte den ‘Lonesome Boatman’ zu entlocken, als mir eines der Mädchen mit ihrer antwortete. Natürlich weitaus besser als ich!

Doolin, die Cliffs of Moher und Inisheer

Nach drei Übernachtungen in Galway sollte es nach Doolin weitergehen, doch musste ich feststellen, dass ich wieder einmal viel zu früh in Irland war – zumindest was das Busfahren betrifft. Ab Ende Mai verkehren die Busse häufiger, so aber hatte ich sechs Stunden Aufenthalt in Ennis. Das Gepäck also ins Schließfach am Busbahnhof, die Videokamera und den Fotoapparat geschultert und auf in die Stadt. Mein Pint of Guinness trank ich im selben Pub wie im Jahr zuvor. Dann war es soweit, und der Bus nach Doolin Bus startete.

Mit einer halben Stunde Verspätung kam ich gegen Abend in jenem Ort an, den es vor einigen Jahren noch gar nicht gab. Erst durch Micho Russel und die Folk Music ist Doolin zum Musikmekka geworden. Kurz vor der Ankunft fiel mir ein junger Mann auf, der mir schräg gegenüber im Bus saß. Er las in dem gleichen Reiseführer, den auch ich im Gepäck hatte. Ich war also nicht der einzige Deutsche. Später stellte ich fest, dass noch mindestens fünf weitere Deutsche im Bus gesessen hatten.

Riverview B&B, © 1996 Hans-Peter DetznerMit dem jungen Mann ging ich zunächst zum Hostel. Er hatte vorgebucht, während ich meine Unterkünfte immer auf gut Glück suchte. Ich erzählte, dass ich im letzten Jahr schon einmal hier gewesen war und nur ein paar Schritte weiter gewohnt hatte. Zunächst wollte ich bei der guten Frau so spät am Abend nicht mehr anklingeln, als ich dann aber die vielen Menschen sah, die alle im Hostel unterkommen wollten, änderte ich meine Meinung. Ich ging die wenigen Schritte zu ihrem Haus, sah sie durch das Fenster vor dem Fernseher sitzen und klingelte. Sie öffnete die Tür und sah mich fragend an. Sie habe nur noch ein Zweibettzimmer frei, meinte sie, und für eine Person sei IR£ 20 für ein B&B ja wohl ein bisschen viel. Als ich erwähnte, dass ich bereits im letzten Jahr bei ihr gewohnt hatte, erinnerte sie sich und strahlte: “Dann habe ich ab sofort kein Zimmer mehr frei – bleib so lange du willst! Über den Preis reden wir später.” Kurze Umarmung, ein herzliches ‘Vielen Dank’ meinerseits, und ich fühlte mich wieder zuhause. Um es vorwegzunehmen: für das Zimmer mit Frühstück habe ich bei der Landlady vom ‘River View House’ (not ITB approved but nice) IR£ 10 pro Nacht bezahlt.

Nach einem reichhaltigen Frühstück schlug ich am nächsten Morgen den Weg zum Doolin Pier ein. Geht man dann weiter, weht einem der Wind um die Ohren und man hat die Brandung fast vor der Nase. Hier stand ich schon vor einem Jahr, nur mit dem Wetter hatte ich damals mehr Glück. Ich wunderte mich, dass trotz der starken Brandung kein Lüftchen wehte. Irgendetwas hatte das zu bedeuten. Es hing wohl mit dem Wetter zusammen, doch ob es nun besser oder schlechter werden würde, war mir nicht klar. Es sollte sich schon bald herausstellen.

Die Cliffs of Moher wollte ich mir auch diesmal ansehen und hoffte auf eine bessere Sicht als im vergangenen Jahr. Als ich mich auf den acht oder neun Kilometer langen Weg machte, kam mir nach wenigen Minuten ein schwarzer Mischlingshund entgegen. ‘Blacky’ hat mich dann bis zu den Klippen begleitet. Immer wieder rannte er querfeldein, verschwand hinter Hecken oder rannte anderen Hunden bellend hinterher. Ich redete mit ihm auf Englisch, und er muss mich wohl verstanden haben. Immer wieder blieb er stehen, als ob er auf mich wartete.

Bei den Klippen konnte man mir die Enttäuschung über die auch diesmal schlechte Sicht vermutlich ansehen. Trotzdem, die bis zu 200 Meter hohen Felsen sind einfach sehenswert! Mein Freund Blacky war hingegen verschwunden. Ein paar junge Leute spielten mit ihm und gaben dem Treulosen etwas zu fressen. Ich habe ihn nicht wiedergesehen.

Am Abend traf ich in einem der drei Pubs den jungen Mann aus dem Bus, und wir verabredeten uns für den nächsten Morgen. Wir wollten nach Inisheer fahren, auf die kleinste der drei Araninseln. Happy Hooker hieß das Boot. Auf der Insel folgten wir nicht dem Pulk, sondern schlugen eine andere Richtung ein. Keine gute Idee! Wie so oft in Irland, sind auch hier die Weiden durch Steinwälle begrenzt. Die Wege innerhalb dieser Mauern bildeten ein einziges Labyrinth, aus dem wir nur dadurch herauskamen, indem wir den Weg zurückgingen.

BuchcoverSo sind uns dann die Geheimnisse der Kelten von Inisheer verborgen geblieben, und wir kehrten statt dessen in einen Pub ein. Auch nicht schlecht! Hier wurde getrunken, gegessen und Musik gemacht. Am Tisch uns gegenüber saß eine schwangere Frau, um sie herum tollten drei Kinder. Auf der Bank neben ihr lag ein großer Hund. Plötzlich hörten wir einige deutsche Brocken und die Frau kam zu uns herüber. Sie sei Irin, erfuhren wir, und ihr Mann Schotte. Er habe ein Praktikum in Freiburg gemacht. Wir unterhielten uns auf Deutsch. Zwar sprach sie mit deutlichem Akzent, konnte sich aber gut ausdrücken. Am Ende fand ich es zwar etwas schade, nicht mehr von der Insel gesehen zu haben, aber auch interessant, mich mit einer Irin auf Deutsch zu unterhalten. Außerdem gibt es genügend Lesestoff, z.B. John M. Synges Reisebericht von Anfang dieses Jahrhunderts mit vielen Orginalfotos des Autors.

Schließlich ging es mit der Happy Hooker zurück nach Doolin, wo man den Eindruck hat, dass der ganze Ort den O’Connors gehört, so zum Beispiel der Pub, der Campingplatz und das Farmhaus. Der Doolin Music Shop, das Schmuckgeschäft und der Lebensmittel-Laden gehören mit Sicherheit ebenfalls zum O’Connor-Imperium.

Um die fünf Übernachtungen bei meiner Landlady bezahlen zu können, musste ich irgendwo Geld umtauschen. Die Post in Doolin ist in einem Lebensmittelladen untergebracht. Hier fragte ich nach, doch hatte der Laden am Ostersonntag zwar geöffnet, der Postschalter jedoch war geschlossen. Im Hostel tauschte ich dann einen kleinen Betrag, um wenigstens mein Zimmer und die Fahrkarte für den Bus bezahlen zu können. Meine Landlady wünschte mir alles Gute und forderte mich auf wiederzukommen. Wer weiß?

Killarney

Für einige Stationen meiner Tour hatte ich mir aus einem B&B-Verzeichnis Unterkünfte herausgesucht, doch mit dem Suchen und Finden ist das so eine Sache. Viele Privatunterkünfte liegen nicht gerade im Ortszentrum. So kam es, dass ich nur in Doolin privat ein Zimmer fand und sonst meist in Hostels nächtigte. In Killarney stieg ich aus dem Bus und wollte mir in aller Ruhe ein Quartier suchen, aber das Wetter ließ mich umdenken. Schon während der Fahrt hatte es geregnet, und es wollte einfach nicht damit aufhören. So zog ich mit meinem Gepäck ziellos durch die Straßen, bis ich rein zufällig ein Hinweisschild zu einem Hostel sah. Dort klappte es dann auf Anhieb.

Rund um Killarney liegen die höchsten Berge Irlands, bis etwa 1040 m sind sie hoch. Auch zur – glaubt man den Reiseführern – landschaftlich schönsten Küstenstraße, dem ‘Ring of Kerry’, ist es nicht weit. Doch das Wetter wollte sich einfach nicht bessern. So sah ich in den drei Tagen gerade einmal die Knockreer Gardens und wanderte sonst nur durch die Innenstadt. An zwei Abenden besuchte ich das Danny Mann’s Inn, in dem Folk Music angesagt war. Das war es leider auch schon, und dabei wollte ich so viel sehen! Vielleicht im nächsten Jahr, sollte ich meinen Urlaub etwas später nehmen können. Doch nun geht es weiter nach Waterford, meine Freunde besuchen.

Waterford

Ich hatte mir bereits ein Hostel ausgeschaut, doch war es ausgebucht. Es dauerte eine Stunde, bis ich schließlich ein Zimmer in einem Hotel fand. Es war nicht viel teurer als ein Einzelzimmer in einem Hostel und das Frühstück akzeptabel. Nachdem ich meine Sachen abgeladen hatte, machte ich mich mit der Kameratasche auf einen Spaziergang in die Stadt, nicht ohne zuvor bei einem meiner Freunde angerufen zu haben. Er war nicht zu Hause, und ich sprach den Namen meiner Unterkunft auf den Anrufbeantworter und schlug eine Uhrzeit für ein Treffen vor.

Mehr als pünktlich war ich wieder am Hotel und wartete, doch nichts tat sich. Ich lief hin und her wie ein Tiger im Käfig. Da kam eine ältere Frau aus dem Pub, der zu dem Hotel gehörte, und wollte meinen Namen wissen. Mir schwante bereits etwas und ich fragte, ob sie eine Nachricht für mich habe. “Erst der Name”, entgegnete sie. Ich nannte ihn, sie lächelte und forderte mich auf mit reinzukommen, mein Freund sei am Telefon. Gott sei Dank, es hatte also doch geklappt! Wir verabredeten uns auf ein Pint, um uns danach mit den Jungs zu treffen.

Nach einer abendlichen Session, beschloss man, mich zu einer Party mitzunehmen. Zwar wusste der Gastgeber nichts von mir, doch gilt in Irland das Motto: ‘Dein Freund ist auch mein Freund’. Essen, Trinken, Musizieren – so verging die Zeit. Man sah mir an, dass ich nicht mehr so ganz fit war, nein, nicht betrunken, einfach nur müde. Nach einer Weile verabschiedeten wir uns von den Gastgebern und ich wurde zurück zum Hotel gefahren. 3.30 Uhr, einer meiner längsten Nächte in Irland! Wie ein nasser Sack ließ ich mich aufs Bett fallen. Zum Ausziehen kam ich gar nicht erst.

Am nächsten Morgen war ich wieder halbwegs munter, lief bis zum Nachmittag in Waterford herum und fuhr dann mit dem Bus nach New Ross und wieder zurück. Die kleine Hafenstadt mit 7.500 Einwohnern war im 13. Jahrhundert der bedeutendste Hafen Irlands. Tags vorher hatte mein Freund Ben mit mir vereinbart, mich zu sich nach Hause zu holen. Zusammen mit seiner Frau und den Kindern besuchten wir eine Pub-Session. Bargeld für die Künstler gibt es dabei nicht, aber Freigetränke. Nach dem Motto ‘wer will, der kann’ beginnt einer zu singen oder zu spielen und die anderen schließen sich nach und nach an. Auch Jenny, die Wirtin, gab zwei oder drei Lieder zum Besten. Sie hatte früher mit Ben bei Waterford Crystal gearbeitet, nebenbei in einer Band gesungen und war dann ins Pub-Business gewechselt. Eine hervorragende Stimme!

Kilkenny und der Dauerregen

Am 15. Tag meiner Irlandtour ging es mit dem Bus weiter nach Kilkenny. Eher durch Zufall fand ich ein Hostel, wollte drei Übernachtungen buchen, doch es gab nur noch ein Zimmer für zwei Nächte. Ich sagte zu, und die zwei Nächte reichten mir dann auch. Die Altstadt von Kilkenny ist zwar einen längeren Besuch wert, doch nicht bei dem Dauerregen, der mich erwartet hatte. So beschränkte ich mich auf ‘Innenaktivitäten’, besuchte Kilkenny Castle, Kirchen, Kneipen. Ob es ein Zufall ist, dass alles mit ‘K’ anfängt.

In einer der Kneipen war am Abend Live-Musik angesagt, sie lag direkt gegenüber meiner Unterkunft. Ich war patschnass und ließ mich im Hostel erst etwas trocknen. Als ich dann den Pub betrat, war es fast eine ‘Big Band’, die sich in meiner unmittelbaren Nähe aufbaute. Auf Fiddle, Mandoline, Gitarren, und Bodhrán spielte man einige Jigs und Reels, als plötzlich der Fußboden nass wurde. Der Akkordeonspieler schaute entgeistert auf sich hinunter und versicherte, er wäre aber ganz dicht. Es stellte sich heraus, dass die Spülmaschine für die Gläser ausgelaufen war. Eigentlich, dachte ich, müssten die Jungs jetzt den ‘River Dance’ spielen, habe den Vorschlag dann aber nicht rübergebracht.

Dublin und die Heimreise

Wieder einmal wurde es Zeit, die Reisetasche für die nächste Etappe zu schultern. Knapp zwei Stunden braucht der Bus von Kilkenny nach Dublin. Ein Freund hatte mir eine Liste mit B&Bs gegeben, alle in unmittelbarer Nähe des Busbahnhofs. Bei einem klappte es dann. Fünf Übernachtungen wollte ich buchen, stellte aber fest, dass ich nicht genügend Bargeld in der Tasche hatte. Kein Problem, hieß es, ich könne ja zunächst für zwei Übernachtungen und den Rest dann später zahlen.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, ging es hinaus in die quirligen Straßen Dublins. Zeitweise ließ sich sogar die Sonne blicken. Als ich am Trinity College vorbei in die Grafton Street wanderte, wurde es noch voller. Ich sah auf die Uhr: Mittagszeit! Es schien, als wollten alle Dubliner ihre Mittagspause im Stephen’s Green verbringen! Ich jedoch war auf der Suche nach einem Pub, in dem ein Jahr zuvor an jedem Mittwoch eine mit mir befreundete Folkgruppe gespielt hatte. Schließlich fand ich ihn, doch hatte er sich in dem einen Jahr sehr verändert. Wo damals meine Freunde ihre Gigs hatten, stand jetzt hinter einer Theke mit leckeren Speisen ein Koch. Ich orderte ein Guinness und fragte nach der Gruppe, doch sie trat hier nicht mehr auf. Kein Problem, Musik gab in Dublin auch so genug, nicht zuletzt in einem Pub, der dem irischen Manager meiner Bochumer Stammkneipe gehörte und in dem ich viele alte Freunde fand.

Am nächsten Vormittag spazierte ich in Richtung Grafton Street, suchte eine ganz bestimmte Person. Gestern Nachmittag hatte ich sie nirgendwo entdecken können, doch vielleicht hatte ich heute ja mehr Glück. Da hörte ich schon von weiten die mir so vertraute Stimme. Es klang wie die Stimme eines schwarzen Bluesmusikers, wenn der Busker sang und sich dabei auf seiner ‘Pianogitarre’ begleitete. Hatte ich im ersten Teil meines Reiseberichts von einem Mann unbestimmbaren Alters berichtet, so erfuhr ich jetzt, dass er 56 war. Er lebte ‘auf ziemlich großem Fuß’, Schuhgröße und Lebensalter stimmten in etwa überein. Stundenlang hätte ich zuhören können, doch ich wollte noch etwas mehr sehen. Howth, zum Beispiel, oder auch Bray, nur wenige Kilometer außerhalb von Dublin und mit dem DART gut zu erreichen. Schade nur, dass es wieder zu regnen begonnen hatte und nichts daraus wurde.

Four Courts bei Nacht, © 1996 Juergen KullmannNach einer langen Session und einigen Pints kehrte ich spät in der Nacht in meine Unterkunft zurück. Der Nachtportier hielt mich an und fragte nach der Zimmernummer. Es sei noch ein Betrag von IR£ 34 offen. Auf die Frage wofür, entgegnete er, für die ersten beiden Übernachtungen. Verdutzt erklärte ich, dass ich die Summe gleich bei der Ankunft bezahlt hätte. Nach einigem Hin und Her gab er nach.

Um so überraschter war ich am folgenden Abend. Wieder wurde ich vom Portier angehalten, diesmal mit dem Hinweis, ich habe noch IR£ 51 zu entrichten. Verständnislos sah ich den Mann an und konnte nur immer wieder betonen, es sei alles bezahlt. Ob ich es ihm denn schriftlich bestätigen könne, wann ich wie viel an wen gezahlt hätte? Selbstverständlich konnte ich das, denn ich hatte gleich nach der Ankunft bei der Post Geld umgetauscht und am nächsten Tag für den Rest meines Aufenthaltes gezahlt.

Früher als sonst stand ich am Morgen auf und ging die Treppe hinunter in den Frühstücksraum. Dort wurde ich von der Lady, bei der ich vor fünf Tagen eingecheckt hatte, ziemlich aufgeregt empfangen. Sie sei schon etliche Jahre hier im Hause beschäftigt, und ihre Buchführung habe bisher immer gestimmt. Auch nach längerer Diskussion ließ sie sich nicht davon überzeugen, dass ich ihr den vollen Betrag bereits übergeben hatte. Wenn sie dem Boss das Geld nicht geben könne, würde sie gefeuert, jammerte sie noch.

War das wirklich mein Problem? Ich holte meine Siebensachen, legte den Schlüssel auf die Theke der Rezeption und verschwand. Sollte ich noch einmal nach Dublin kommen, weiß ich genau, wo ich mich auf keinen Fall einquartieren werde!

Von meinen Freunden in Waterford hatte ich bereits vom Großbrand auf dem Düsseldorfer Flughafen gehört. Im Aer Lingus Büro auf der O’Connell Street erkundigte ich mich nach meinem Rückflug. Die Maschine werde nicht in Düsseldorf landen können, erfuhr ich, neuer Zielflughafen sei Maastricht in Holland. Von dort aus gehe es dann mit dem Bus nach Düsseldorf. Gegen 22.30 Uhr war ich wieder daheim. Trotz Regen, Kälte und Enttäuschung werde ich mit Sicherheit wieder nach Irland fliegen. Und dann mache ich alles ganz anders!

Wirklich?

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© für die überarbeitete Fassung Jürgen Kullmann