Nachrichten aus Irland

Aktueller Monat & Archiv

Dienstag, 30. April 2002

• Nach 10,8 % im Jahr 1999 und 11,5 % im Jahr 2000 halbierte sich das irische Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr auf 5,9 %. Dies liegt etwas unterhalb der Vorhersagen der Wirtschaftsexperten, die bei 6,8 % lagen.

• Nach einem Gespräch mit dem nordirischen First Minister David Trimble am gestrigen Abend in Dublin, drückt Taoiseach Bertie Ahern seine Überzeugung aus, dass der Waffenstillstand der IRA weiterhin ‘intakt’ sei, und ruft die das Karfreitagsabkommen unterstützenden Partein auf zusammenzuarbeiten, um das Erreichte zu schützen. Er frage sich allerdings, warum die IRA ‘überhaupt noch Soldaten brauche’, wenn sie keine Terrorakte mehr begehen wolle. Vor dem Gespräch mit David Trimble hatte der Taoiseach ein Telefongespräch mit Sinn Féin Präsident Gerry Adams.

Montag, 29. April 2002

• Die nordirische Polizei und die Polizei der Republik Irland wollen stärker zusammenarbeiten. Ein heute vom irischen Justizminister O’Donoghue und dem britischen Nordirlandsekretär John Reid unterzeichnetes Protokoll ermöglicht den Personalaustausch zwischen den beiden Polizeidiensten. Auch wird ein Seiteneinstieg von Mitgliedern der Garda in den PSNI möglich, ohne dass diese einen Eid auf die britische Königin schwören müssen. Letzteres war im vergangenen Herbst eine Schlüsselforderung der SDLP, ehe sie die nordirische Polizeireform akzeptierte und zwei Mitglieder für das Policing Board stellte.

• Dissidente Republikaner werden für den Bombenanschlag auf ein Hochsicherheitsgefängnis bei Lilsburn im County Antrim verantwortlich gemacht. Die Bombe explodiert gegen 22.30 in einem Jeep vor den Gefängnistoren.

• Nach den Worten von Sinn Féin Präsident Gerry Adams will sich seine Partei, die bei den Wahlen am 17. Mai in 34 Wahlkreisen mit insgesamt 37 Kandidaten vertreten ist, das Thema soziale Gerechtigkeit nach ganz oben auf die Tagesordnung setzen. So fordert er Investitionen in den öffentlichen Dienst, das Gesundheitswesen, den Wohnungsbau und Kinderhorte. Die bisherige Regierung hätte alles unternommen, um Big Business und die Reichen zu fördern; eine Änderung dieser ideologischen Richtung sei dringend erforderlich. Sollte seine Partei drei der 166 Mandate erlangen, so wäre er zufrieden.

Sonntag, 28. April 2002

• Die irischen Parteien veröffentlichen ihre Wahlkampfmanifeste und die Politiker touren durchs Land, am publikumswirksamsten Tánaiste Mary Harney von den Progressive Democrats auf einem Ponykarren, der früher zum Einholen von Torf verwendet wurde. Derweil fühlt sich Taoiseach Bertie Ahern einmal mehr bemüßigt darauf hinzuweisen, dass seine Fianna Fáil keine Koalition mit der Sinn Féin eingehen wird, und Möchtegern-Häuptling Michael Noonan von der Fine Gael wirft ihm vor, zu feige für eine Fernsehdiskussion mit ihm zu sein. Vielleicht will Bertie seinen Konkurrenten nur nicht aufwerten, denn eigentlich kommt er in der Öffentlichkeit besser als sein Herausforderer an.

Sonnabend, 27. April 2002

• Die Republik Irland, Schottland und die Isle of Man schließen sich zusammen – soweit es die Erdgasversorgung betrifft. Für € 50 Mill. wird Bord Gáis einen Abzweig von der Irland-Schottland-Pipeline zur Isle of Man einrichten.

Freitag, 26. April 2002

• Die Socialist Party, im letzten Dáil mit ihrem Parteivorsitzenden Joe Higgins als einzigen Abgeordneten vertreten, veröffentlicht ihr Wahlprogramm: Steuerfreiheit für Stundenlöhne unter € 9, Abschaffung der Müllentsorgungsgebühren und Verbot von Privatisierungen. 5 Kandidaten hat die Partei mit Karl Marx auf der Titelseite ihrer Internetpräsenz aufgestellt, vier in Dublin und einen in Cork.

• Ein paar weitere Informationen zu den Wahlen zum 29. Dáil (s. Meldung von gestern). In den Wählerlisten stehen 2.952.400 Personen, dies sind alle mit ihrem Wohnsitz in Irland gemeldeten Iren und Briten, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alte sind. Gewählt werden kann, wer am Wahltag über 21 Jahre alt ist und von einer politischen Partei nominiert wurde oder als unabhängiger Kandidat die Unterschriften von 30 Wahlberechtigten vorweisen kann. Unabhängige Kandidaten haben in Irland durchaus eine Chance, haben sie doch in den vergangenen fünf Jahren dem amtierenden Häuptling Bertie die Mehrheit im Parlament gesichert. Am 17. Mai werden die Wahllokale um 7.30 Uhr öffnen und um 22.30 schließen. Anschließend geht es in die Pubs, und am folgenden Morgen beginnt man mit dem Zählen, das vermutlich acht bis 10 Tage später beendet sein wird. Für den 6. Juni ist der neue Dáil zu seiner ersten Sitzung einberufen.

• Über 1,3 Millionen Postkarten aus Irland, die die Schließung der nuklearen Umweltverseuchungsanlage in Sellafield fordern, treffen heute bei Herrn Tony Blair, einem Prinzen Charles und dem Vorstandsvorsitzenden von British Nuclear Fuels Norman Askew ein. Hinter der Kampagne steht auch Ali Hewseon, Frau des U2-Sängers Bono. Sie wirft ihre Postkarte persönlich in Herrn Blairs Briefkasten in Downing Street und teilt den Reportern mit: “Ich wollte meine Karte selbst abliefern. Es gibt Millionen von Menschen in Britannien, die nicht weiter von Sellafield entfernt wohnen als wir, und die Risiken sind enorm.”

Donnerstag, 25. April 2002

• Das Datum steht: Taoiseach Bertie Ahern kündigt den 17. Mai als Termin für die Wahlen zum Dáil an. Unmittelbar danach fährt er vom in der Innenstadt gelegenen Regierungsgebäude gen Norden in den Phoenix Park, wo die irische Staatspräsidentin Mary McAleese im Áras an Uachtaráin die Proklamation zur Auflösung des 28. Dáil unterzeichnet. Und nach Berties strahlendem Gesicht auf dem gemeinsamen Foto zu urteilen, geht er fest davon aus, dass ihn Mary Anfang Juni wieder zum Häuptling der Iren ernennen wird.

Mittwoch, 24. April 2002

• Nicht nur der irische Arbeitgeberverband, sondern auch die Europäische Union hält die Steigerung der irischen Staatsausgaben um über 20 % in zwei Jahren für bedenklich. Taoiseach Bertie jedoch verkündet im Dáil, künftige Generationen würden seine Regierungszeit als goldenes Zeitalter für das Land charakterisieren.

• Mehrere hundert Menschen müssen jedes Jahr sterben, weil die Ambulanz zu spät zur Stelle ist, geht aus einem soeben veröffentlichten Bericht der irischen Health Boards hervor. Die empfohlene Zeit zwischen dem Eingang eines Notrufs und der Ankunft der Hilfe sei 8 Minuten, in über einem Drittel der Fälle dauere dies jedoch mehr als 20 Minuten. Hunderte von Menschenleben ließen sich alljährlich retten, wenn für die Erstversorgung bei einem Notruf ein Sanitäter auf einem Motorrad vorangeschickt würde.

Dienstag, 23, April 2002

• Der britische Nordirlandsekretär John Reid weist ein weiteres Mal darauf hin, dass er keine Gefahr sieht, die IRA könne ihren Waffenstillstand brechen. Zugleich drückt er dem amtierenden nordirischen Polizeichef Colin Cramphorn seine Besorgnis aus, undichte Stellen im Polizeiapparat könnten dem politischen Prozess Schaden zufügen.

• Der irische Häuptling Bertie Ahern lässt sich nicht erweichen. Von Reportern auf Andeutungen seiner Freundin Celia über eine mögliche Hochzeit angesprochen lacht er und fährt fort: “Bildet ihr euch ein, ich würde einem von euch etwas erzählen?” Bertie lebt seit Jahren getrennt von seiner Frau und zwei erwachsenen Töchtern. Celia trat erstmals 1997 kurz nach seiner Wahl zum Taoiseach bei einem Bankett für Hillary Clinton in Erscheinung.

• Der National Women’s Council beklagt, dass bei den kommenden Wahlen zum Dáil noch weniger Frauen als vor fünf Jahren auf den Kandidatenlisten stehen, in 10 Wahlkreisen nicht eine einzige. Von den 166 Sitzen könnten mit Glück 33 an Frauen gehen.

Montag, 22. April 2002

• Der irische Arbeitgeberverband IBEC nennt die Erhöhung der Staatsausgaben um 40 % in den letzten zwei Jahren ein ‘Rezept für die Katastrophe’. Irland sei in Gefahr seine Wettbewerbfähigkeit und den in den letzten 10 Jahren erworbenen Wohlstand zu verlieren. Die Kosten für die Wirtschaft stiegen schneller als bei allen Wettbewerbern.

• In den letzten zwölf Monaten wurde die allmorgendliche Blechkarawane in Dublins Innenstadt zum ersten Mal seit Jahren kürzer, und zwar um täglich 6.000 Autos, was einem Rückgang von 8 % entspricht. Tim O’Sullivan vom Dublin City Council führt dies auf die Verbesserungen im Personennahverkehr zurück. Dazu gehören die Erweiterung des Streckennetzes der DART, mehr Busse und spezielle Buskorridore. Parallel dazu wurden 15.000 Straßenparkplätze abgbaut und Büroflächen in Business-Parks am Rande der Stadt verlegt.

Sonntag, 21. April 2002

• Die IRA teilt in einer Meldung an den irischen Rundfunk RTÉ mit, dass sie nicht in den Überfall auf die Castlereagh Police Station verwickelt ist. Der Waffenstillstand gelte weiterhin und man sei nicht dabei, potentielle Angriffsziele zu selektieren (s.a. 19. und 16. April). Anmerkung: wenn die IRA in der Vergangenheit Ankündigungen dieser Art machte, konnte man ihnen in der Regel glauben.

• Unruhe und Druck auf die Sinn Féin verursacht am Morgen die Meldung einer britischen Zeitung, die IRA habe kurz nach ihrem ersten Entwaffnungsschritt im vergangenen Herbst in Russland neue Waffen eingekauft.

Sonnabend, 20. April 2002

• Etwa 200 muslimische Kinder protestieren in Dublin gegen die israelische Offensive in der Westbank. Begleitet von einigen Erwachsenen marschieren sie von der Zentralbank zum Außenministerium am St. Stephens Green und händigen dem Taoiseach und dem Außenminister einen Brief aus, in dem sie zur Hilfe für die Kinder in der Westbank auffordern.

• Die sogenannte Continuity IRA übernimmt die Verantwortung für einen Bombenanschlag auf ein Trainingszentrum der nordirischen Polizei im Westen Belfast am vergangenen Mittwoch. In ihrer Meldung bezeichnet sie den PSNI als verkleidete RUC. Bei dem Anschlag wurden Türen und Fenster beschädigt.

• Die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft müssen sich Mühe geben, wenn sie die irische Landschaft in die nächste Generation hinüberretten wollen. So werden nach einem gestern vorgestellten Bericht des Präsidenten des Irish Planning Institute John Spain die für den irischen Westen typischen Trockensteinmauern (Mauern aus Feldsteinen) zunehmend durch Mauern aus Schlackeziegeln abgelöst. Und das Errichten einzelner Häuser inmitten der Landschaft, vor allem an der irischen Westküste, habe nichts mit Regionalentwicklung sondern mit Landschaftszerstörung zu tun. Sollte die Regierung nicht massiv einschreiten, bliebe sehr wenig von Wert für die kommende Generation erhalten.

Freitag, 19. April 2002

• Es wird die beste Nacht um den Mond zu beobachten, schreibt heute die Irish Times in ihren ‘Breaking News’. Vielleicht auch zu zweit, und bei der Gelegenheit kann man dann sein Gälisch ausprobieren:

  Mó ghrá thú – Meine Liebe du
  Tá mé i ngrá leat – Bin ich in Liebe mit dir
  Tú mo ghrá geal – Du meine strahlende Liebe
  Tá mó chroí istigh ag pléascadh duit – Ist mein Herz drinnen beim Explodieren für dich

  Und damit verlassen wir den Mond und seine Beobachter.

• Bei Razzien in einem republikanischen Bezirk Belfasts wird eine Liste mit den Namen konservativer britischer Politiker entdeckt, die Parteiführung in London gewarnt. Nordirlandsekretär John Reid sieht jedoch keine Anzeichen dafür, dass die IRA neue Anschläge plant.

• Auf einer Konferenz in Dublin wird eine Studie vorgestellt, nach der der Kindesmissbrauch in Irland ein größeres Problem als in allen anderen europäischen Staaten und den USA ist. So berichtet Prof. David Finkelhor, Direktor des Crimes Against Children Research Centre der Universität von New Hampshire, dass 42 % aller irischen Frauen und 28 % aller irischen Männer in ihrem Leben sexuell missbraucht oder angegriffen worden seien.

Donnerstag, 18. April 2002

• Die loyalistischen Red Hand Defenders übernehmen die Verantwortung für den Mord an einem katholischen Taxifahrer in der vergangenen Nacht im County Tyrone. Nordirlands Sicherheitsministerin Jane Kennedy nennt den Mord einen feigen, brutalen Akt von Feinden der ganzen nordirischen Gesellschaft.

• “Das Siegen wird eine schöne Gewohnheit ...”, so der Trainer der irischen Nationalmanschaft Mick McCarthy nach dem heutigen 2 : 1 Sieg seiner Fußballer über die Mannschaft der USA in Dublin.

Mittwoch, 17. April 2002

• Das dürfte die Regierung zwei Monate vor den Parlamentswahlen freuen. Drei multinationale Firmen kündigen für West- und Südirland insgesamt 1.300 neue Arbeitsplätze an, davon 360 in Limerick (e-Learning), 600 in Galway (Finanzdienstleistungen) und 300 in Cork (Biopharmaca).

• Die Mutter eines von zwei britischen Soldaten ermordeten Teenagers scheitert vor dem nordirischen High Court mit ihrer Forderung, die beiden aus der Armee zu entfernen. Ihr Sohn wurde 1992 von der Patrouille erschossen, der er davonlief. Die Behauptung der Soldaten, der Vater des 18-jährigen habe eine Bombe bei sich getragen, erwies sich später als falsch. 1995 wurden sie zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt, nach nur drei Jahren von der damaligen Nordirlandministerin Mo Mowlan begnadigt und wieder in die Armee aufgenommen.

Dienstag, 16. April 2002

• Gerry Kelly, ein führender Sinn-Féin-Politiker, gibt eine Stellungnahme ab, dass die IRA in keiner Weise etwas mit dem Einbruch in die Geheimdienstabteilung der Castlereagh Police Station (s. 17.03.2002) zu tun hat und keine Informationen aus dort gestohlenen Dokumenten besitzt. Der britische Geheimdienst habe versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: ihm unangenehme Dokumente aus dem Verkehr zu ziehen und der IRA etwas in die Schuhe zu schieben.

• Die Spekulationen verdichten sich, dass die kommenden Wahlen zum Dáil, dem irischen Parlament, am 17. Mai stattfinden werden. Zirka 8 bis 10 Tage später werden dann nach dem faszinierenden irischen Wahlsystem in der x-ten Zählung alle Stimmen ausgezählt sein und man wird die Zusammensetzung des Parlaments kennen. Vertraut man den Meinungsumfragen, so wird auch der neue Taoiseach (Häuptling) Bertie Ahern heißen.

Montag, 15. April 2002

• Gemeindearbeiter im loyalistischen Waterside District von Derry weisen darauf hin, dass ihre Vorbereitungsarbeit für den Besuch der irischen Staatspräsidentin Mary McAleese in der protestantischen Bevölkerung auf überwältigende Zustimmung stößt (s.a. Bericht vom 12. April 2002).

• Die gestern veröffentlichten Bemerkungen von Sinn Féin Präsident Gerry Adams rufen bei den Angehörigen der Opfer von IRA-Anschlägen Empörung hervor. Alan McBride, dessen Frau zu den neun Zivilisten gehörte, die bei einem IRA-Bombenanschlag auf einen Fischladen in der Shankill Road ums Leben kamen, versteht die Welt nicht mehr. Auch die dem nationalen Lager zugehörige nordirische Landwirtschaftsministerin Bríd Rodgers (SDLP) schließt sich dem Protest gegen die Glorifizierung von IRA-Terrorismus an: “Was soll glorreich an Mördern unschuldiger Zivilisten in Belfast, London oder Claudy sein”, fragt sie. “Was glorreich an den Mördern von Arbeitern, die auf dem Heimweg waren?”

• Wie schon vor der Fußballweltmeisterschaft von 1994, so drohen auch diesmal die 3.000 bei Mandate organisierten Pubmitarbeiter mit Streikaktionen. LVA, die Vereinigung ihrer Arbeitgeber, erklärt sich zwar bereit Gespräche mit gewerkschaftlich organisiertem Personal zu führen, weigert sich jedoch Regelungen zu treffen, die auch auf Pubs Anwendung finden, deren Mitarbeiter nicht in der Gewerkschaft sind.

Sonntag, 14. April 2002

• Das Nordirlandabkommen wird mehr zur ‘Rassentrennung’ genutzt als zur Integration der Bevölkerungsgruppen, beklagt heute der Präsident der nordirischen Alliance Party Colm Cavanah gegenüber den Delegierten auf der Jahreskonferenz seiner Partei in Carrickfergus im County Antrim. Es werde genutzt, um den Menschen einzureden, dass Nordirland aus zwei Machtblöcken bestehe, die man dazu bringen müsse, sich gegenseitig zu vernichten. “Das Karfreitagsabkommen ist nicht die Decke, nach der wir uns strecken”, fährt er fort, “lasst es der Boden sein, auf dem wir eine sich integrierende Gesellschaft bauen.”

• Die obigen Worte von Colm Cavanah beeindrucken mehr, als die Rede von Sinn Féin Präsident Gerry Adams bei einem Dinners in Dublin vor 2.500 Personen. Auch wenn die Zusammenarbeit der Provisional IRA mit der internationalen Entwaffnungskommission für Nordirland anzuerkennen und den loyalistischen Paramilitärs dringend zur Nachahmung zu empfehlen ist, sind Gerrys Bemerkungen vom gestrigen Abend weder hilfreich noch moralisch gerechtfertigt. Die 365 ums Leben gekommenen IRA-Freiwilligen der letzten 30 Jahre seien von ‘außerordentlichem Kaliber’ gewesen, preist er sie, sie seien ‘gestorben in einem Kampf mit noblem Ziel’. Vielleicht haben sie es geglaubt, doch die, die ihnen das eingetrichtert haben und bis heute stolz darauf sind, haben nichts gelernt.

Sonnabend, 13. April 2002

• Der britischen Regierung steht die Forderung ins Haus, das Abstimmungssystem im nordirischen Parlament zu ändern, wodurch die Stimmen der sich gruppenübergreifend verstehenden Alliance Party an Bedeutung verlieren würden.

  Der Hintergrund: Wichtige Beschlüsse benötigen nicht nur die Mehrheit des gesamten Parlaments, sondern auch eine Mehrheit innerhalb des unionistischen (UUP und DUP) und nationalen (SDLP und Sinn Féin) Lagers. Nun hatten sich im vergangenen November drei Mitglieder der Alliance Party vorübergehend der unionistischen Gruppe zugehörig erklärt, um im unionistischen Lager eine Mehrheit für die Wahl des UUP-Vorsitzenden David Trimble und des SDLP-Vorsitzenden Mark Durkan zum Ersten bzw. stellvertretenden Ersten Minister Nordirlands herbeizuführen. Die DUP protestierte und versuchte vergeblich die Wahl anzufechten.

Freitag, 12. April 2002

• Die katholische Diözese von Limerick bestätigt, im Jahr 1995 einem Priester ein Darlehen in Höhe von rund € 50.000 gewährt zu haben, damit dieser es an einen Jugendlichen zahle, der von ihm sexuell missbraucht worden war. Der Priester hätte anschließend das geistliche Amt verlassen, arbeite nun im Ausland und habe bisher ein Viertel des Darlehens zurückgezahlt.

• Ein protestantischer Gemeindearbeiter, zugleich Mitglied des Northern Ireland Policing Board, wird von loyalistischen Paramilitärs bedroht, da er bei den Vorbereitungen für den am Mittwoch geplanten Besuch der irischen Staatspräsidenten Mary McAleese in einem loyalistischen Wohngebiet Derrys mitwirkt. Graffiti-Schmierereien und Poster an einer Mauer gegenüber seinem Haus bezeichnen ihn als Verräter und die Polizei warnt wegen möglicher Benzinbombenangriffe.

• Am Abend werden im Abstand von zwanzig Minuten zwei Bombenanschläge auf nordirische Polizeistationen gemeldet. Nach den Worten eines Polizeisprechers war es Ziel der Anschläge, Menschen zu töten und zu verletzen.

Donnerstag, 11. April 2002

• Über die jetzt schon längste Firmenbesetzung in der irischen Arbeiterbewegung berichtet heute RTÉ. Seit dem 4. Juli 2001 halten 42 der 64 Arbeiter von Peerless Rugs im County Kildare im Schichtbetrieb ihre Fabrik 24 Stunden pro Tag besetzt, deren Geschäftsführung im letzten Sommer beschloss den Betrieb einzustellen. Weihnachten und ähnliche Feiertage eingeschlossen. Genauso unvergleichlich wie die Teppiche, die sie früher fabrizierten.

• Mit einem Aufwand von £St. 3 Mill. soll den Opfern der 30-jährigen Unruhen in Nordirland praktisch geholfen werden. Die Frage ist, was sind Opfer. In einem ersten offiziellen Versuch dies zu definieren, wird auf die Unterscheidung zwischen Zivilisten, Paramilitärs und Mitgliedern der Sicherheitskräfte verzichtet. Demnach ist ein Opfer ein ‘überlebender, körperlich oder psychisch durch gewalt- oder konfliktbedingte Einflüsse Verletzter, sowie ein nahe Verwandter oder Partner, der für ein Opfer sorgt oder über seinen Tod trauert.’

• Burtonport im Westen Donegals, einst einer der großen Fischereihäfen Irlands, verliert mit dem heutigen Tag seinen letzten registrierten Fischtrawler. Zur Blütezeit des Hafens vor 30 bis 40 Jahren sah man nicht selten fünf oder sechs Trawler Seite bei Seite am Kai liegen, und bis zu vierzig Schiffe nannten Burtonport ihren Heimathafen. In keinem Hafen Europas wurde mehr Wildlachs angelandet. Nun gibt es nur noch eine Anzahl von Teilzeitfischern, die sich überwiegend mit dem Krebsfang befassen.

Mittwoch, 10. April 2002

• Staatspräsidentin Mary McAleese unterzeichnet ohne von ihrem Recht einer Überprüfung der Vorlage durch den Supreme Court Gebrauch zu machen die umstrittene Trespassing Bill. Damit wird in Irland das unbefugte Betreten von privatem Grundbesitz zum Straftatbestand. Demnach müssen alle mit einer Gefängnisstrafe von einem Monat oder einer Strafe von € 3.000 rechnen, die auf einem Gelände campen, ohne den Eigentümer um Erlaubnis gefragt zu haben. Vor allem die Repräsentanten der Traveller, von manchen auch ‘Tinker’ genannt, halten das Gesetz für verfassungswidrig. Deutsche Camper mögen selbst ausprobieren, ob es jemand auf sie anwendet.

• Der Posten des obersten nordirischen Polizisten ist ausgeschrieben und es gibt weniger als eine Handvoll Bewerber. Das Jahresgehalt: £St. 130.000, also nicht so übel. Kein Interesse hat der amtierende nordirische Polizeichef Colin Cramphon, der den Job nach dem Rücktritt von Sir Ronnie Flanagan nur so lange machen will, bis ein geeigneter Nachfolger gefunden ist.

Dienstag, 9. April 2002

• Führende IRA-Kreise geben zu, dass ein früherer Mitarbeiter der Castleragh Police Station ihnen nahe stand, weisen jedoch entschieden den Vorwurf zurück, dass dies in Zusammenhang mit dem Einbruch in die dortige Geheimdienstabteilung am St. Patricks Day steht. Wie dem auch sei, der Mitarbeiter dürfte recht nützliche Informationen an die IRA übermittelt haben.

• Nach dem zweiten Entwaffnungsschritt der IRA werden Forderungen laut, nun seien auch die loyalistischen Paramilitärs an der Reihe sich von ihrem Waffenarsenal zu trennen. Es gäbe absolut keine Entschuldigung dafür, meint der nordirische Finanazminister Seán Farren von der SDLP, dass ein solcher Schritt auf Seiten der Loyalisten auf sich warten lasse. Und so fordert er die Führer der unionistischen Parteien auf ihren Einfluss geltend zu machen und für einen solchen zu sorgen.

Montag, 8. April 2002

• Die IRA macht nach Gesprächen mit der internationalen Entwaffnungskommission ein weiteres Waffenkontingent unbrauchbar. Es sei eine einseitige Handlung der IRA, heißt es in der Verlautbarung, während andere ihre Verpflichtungen nicht einhielten. Die IRA verfolge damit das Ziel, den Friedensprozess zu stabilisieren und nachhaltig zu stärken. “Die IRA hat eine beträchtliche Menge unterschiedlicher Munition, Waffen und Sprengkörpern unbrauchbar gemacht”, meldet später die Entwaffnungskommission unter ihrem Vorsitzenden, dem kanadischen General John de Chastelain.

  Taoiseach Bertie Ahern und die Pro-Agreement-Parteien im nordirischen Parlament begrüßen den Schritt. Nach den Worten von David Trimble, Nordirlands Erster Minister und Vorsitzender der Ulster Unionist Party, zeige dies klar, dass die Republikaner sich in einem Entwaffnungsprozess befänden. Deutlich weist er die Unionisten zurecht, die nicht an eine Bewegung in der Entwaffnungsfrage glaubten und dann, wenn sie doch eintritt, als “einmal-und-nie-wieder” bezeichneten.

• Am Morgen beginnen die Arbeiten am Fundament zu einem 120 m hohen Stahlpylon auf der O’Connell Street. Taoiseach Bertie preist das umstrittene Projekt als Chance, die Straße zu einer der größten Prachtstraßen der Welt zu machen: “Als Bewohner von Dublins Nordseite bin ich überzeugt, dass die O’Connell Street Dublins großartigste Straße ist und das Potenzial hat, eine der großen Straßen der Welt zu sein, so wie der Champs Elysées oder der Broadway.”

• Vor dem Haus des SDLP-Abgeordneten für West-Tyrone Eugene McMenamin werden am frühen Morgen zwei Autos in Brand gesteckt; fast hätte das Feuer auf das Haus mit seinen schlafenden Bewohnern übergegriffen. McMenamin geht davon aus, dass der Anschlag von republikanischer Seite erfolgte um ihn wegen der Mitarbeit seiner Partei im Aufsichtsgremium für die nordirische Polizei ‘abzustrafen’.

Sonnabend, 6. April 2002

• Die Fine Gael Senatorin Therese Ridge, weder dem Fußball noch dem Guinness abgeneigt, fordert für die kommende Fußballweltmeisterschaft eine Sonderregelung bei den Pub-Ausschankzeiten. So wolle jeder im Land am 1. Juni um halb acht in der Früh beim Spiel zwischen Irland und Kamerun mit einem Pint in der Hand vor dem Bildschirm seines lokalen Pubs sitzen, zu einer Zeit, zu der der Alkoholausschank verboten ist.

• Die neue Gewerkschaft der Sekundarstufenschüler USS fordert für Mädchen das Recht auf Schuluniformen mit Hosen. Die Schulen müssten verpflichtet werden, den Mädchen entsprechende Schulkleidung bereitzustellen. In den vergangenen Jahren waren mehrfach Mädchen diszipliniert worden, weil sie in Hosen zur Schule kamen.

Freitag, 5. April 2002

• Etwa hundert Fischer der irischen Westküste protestieren in Ballina, Co. Mayo, gegen eine weitere Senkung der Lachsfangquoten um 15 %. Die von Fischereiminister Frank Fahey geplante Verordnung werde sie zu Kriminellen machen oder ihnen den Lebensunterhalt nehmen. Früher hätten sie in der Lachssaison 24 Stunden pro Tag fischen dürfen, dann nur noch 15 bei gleichzeitig verkürzter Saison. So sei ihr Einkommen seit 1996 um 60 % gesunken; ein weiterer Einnahmeverlust sei nicht zu verkraften.

• Die Democratic Ulster Party Ian Paisleys ist erzürnt über die Ansprache des Chefs der Polizei der Republik Irland bei der Einstellung der ersten Rekruten für den neuen nordirischen Polizeidienst PSNI. Wohl weniger über das, was er sagte, sondern über die Tatsache, dass er überhaupt etwas sagen durfte. Zu den weiteren Rednern gehörte der frühere nordirische Polizeichef Sir Ronnie Flanagan.

• Auch diesmal gelang es der nordirischen Polizei nicht, republikanische Kreise für den Einbruchs in die Geheimdienstabteilung der Castlereagh Police Station verantwortlich zu machen. Die drei gestern Verhafteten wurde ohne Anklage wieder freigelassen.

Donnerstag, 4. April 2002

• Die unendliche Geschichte des Einbruchs in die Geheimdienstabteilung der Castlereagh Police Station: Auch wenn der zum Monatsanfang aus dem Amt geschiedene oberste nordirische Polizist Sir Ronnie Flanagan die Angelegenheit für einen ‘inside job’ hielt, scheint die nordirische Polizei unbedingt republikanische Kreise als Schuldige ausmachen zu wollen. Nachdem die ersten sechs Verhaftungen zu nichts führten, werden heute drei neue aus Belfast und Derry vermeldet. In zwei Fällen handelt es sich um prominente Personen aus der republikanischen Szene, einer von ihnen ein Ex-IRA-Häftling und führender Hunger-Streiker des Jahres 1980.

• Gut dreieinhalb Millionen Einwohner hat die Republik Irland und 10.000 sind derzeit obdachlos, verkündet heute der umweltpolitische Sprecher der Labour Party auf einem Forum der Simon Communities of Ireland. Damit habe sich die Obdachlosenzahl im EU-Land mit dem größten Wirtschaftsboom innerhalb der letzten sechs Jahre vervierfacht. Ziel des Seminars ist, die Obdachlosenkrise zum Thema der kommenden Parlamentswahlen zu machen.

Mittwoch, 3. April 2002

• Fünf der sechs am letzten Wochenende im Zusammenhang mit dem Einbruch in die Geheimdienstabteilung Castlereagh Police Station festgenommenen Personen befinden sich ohne Anklage wieder auf freiem Fuß. Bei dem verbliebenen Verdächtigen werden zwar ‘für Terroristen nützliche Dokumente’ gefunden, die jedoch nach bisherigen Erkenntnissen nichts mit dem Einbruch zu tun haben.

• Zum ersten Mal in der Geschichte kommt es auf höchster Ebene zu einer gemeinsamen Tagung der nordirischen Polizei (PSNI) mit der der Republik Irland (Garda). Zu den Teilnehmern der zweitägigen Veranstaltung an Polizeischule der Garda im County Tipperary gehören der Garda-Chef Pat Byrne und der amtierende nordirische Polizeichef Colin Cramphorn.

Dienstag, 2. April 2002

• Das Thema Wiedervereinigung rückt derzeit in den Mittelpunkt des Vorwahlkampfes der Sinn Féin. Nach den Bemerkungen ihres Präsidenten vom Ostersonntag verspricht der SF-Abgeordnete für Cavan-Monaghan Caoimhghin Ó Caolain den Unionisten eine ‘strahlendere’ Zukunft in einem vereinigten Irland und der Sinn Féin Chefstratege und nordirische Erziehungsminister Martin McGuinness verkündet, der Countdown zur irischen Einheit habe begonnen und könne innerhalb von 14 Jahren – das heißt passend zum 100sten Jahrestag des Osteraufstandes von 1916 – errungen werden.

  Sein Kollege aus dem gemäßigten nationalen Lager, der nordirische Finanzminister Seán Farren (SDLP), ist da zurückhaltender. Sprüche klopfen, sagt er in einer Rede, führe nicht zur ersehnten Einheit, und schlimmer noch: Die Gewalt im Namen der Einheit habe mit einem Übermaß Schmerz und Leid die Trennung zwischen den Menschen Irlands vertieft und die Aufgabe, sie wieder zusammenzuführen, um vieles schwieriger gemacht.

• Belfast zahlt dem Mann Tribut, der die Titanic baute. 90 Jahre, nachdem sie die Stadt auf ihrer verhängnisvollen Reise verließ, enthüllt Lord Mayor Jim Rodgers am Haus ihres Konstrukteurs eine Tafel. Der Oberbürgermeister wörtlich: “Es ist wichtig, dass es dort eine Tafel gibt, denn viele werden kommen um zu sehen, in welchem Haus Thomas Andrews lebte. Niemand konnte damals Schiffe bauen wie er.” Auch Thomas Andrews kam beim Untergang seines Schiffs ums Leben.

Ostermontag, 1. April 2002 – Fool’s Day

• Beim gemeinsamen Ostereiersuchen auf Hillsborough Castle kommen sich Ian Paisley und Gerry Adams näher und erarbeiten ein Konzept für eine vereintes Irland. Kernpunkt der Überlegungen ist der Vorschlag, Prinz Charles zum irischen Staatspräsidenten zu ernennen und damit den Unionisten Nordirlands eine Identifikationsperson zu geben. Da der derzeitige britische Thronfolger seit seinen Bemerkungen vom 15. Februar selbst in republikanischen Kreisen als ‘Bonnie Prince Charlie’ bekannt ist, wird auch von dieser Seite wenig Widerspruch erwartet. Zudem geht man nicht davon aus, dass die vom englischen Königshaus geforderte Ablösesumme besonders hoch ausfällt.