Irisches Tagebuch 2009

Briefe an Nis Puk
Wie Paddy-the-Sailor nach Nordfriesland kam

 

Sonnabend, 20. Juni 2009

Derweil Eileen Óg und Paddy-the-Sailor das Cottage hüten, machen wir unsere traditionelle Killary-Harbour-Wanderung: vom Anleger bei Rosroe über die kaum erkennbaren Reste einer historischen Famine Road am Berghang des Fjords und dann zurück über den Salrock Pass, auf dem sich der Teufel mit einem der unzähligen irischen Heiligen in der Wolle hatte.

© 2009 Juergen Kullmann“Mit Hilfe des Ministeriums für Gemeinden, ländliche Regionen und die Gaeltacht wurde diese Arbeit vollbracht”, liest man auf einem Schild am Kai. Der Anleger an der Mündung wurde neu ausgebaut, doch die Jugendherberge an der Pier, in der vom April bis Oktober 1948 ein Österreicher namens Wittgenstein philosophierte, ist keine mehr. Statt dessen hat ein Hausbesitzer aus der Nachbarschaft seine vier Wände in ein Killary Harbour Hostel umgewandelt. Gäste sind weit und breit keine zu sehen, und so äugen wir durch die Fenster. Es macht einen sehr ordentlichen Eindruck, doch ob sich das Unternehmen lohnt?

Der Himmel ist grau mit einigen sunny spells, soweit stimmt der Wetterbericht, die gleichfalls angekündigten occasional showers bleiben freundlicherweise aus. Nur zwei Pärchen kommen uns entgegen, beide Male während wir eine Rast einlegen, die letzte auf einer Felsnase, von der aus man den Fjord in beide Richtungen überblickt. ‘Loreley-Felsen’ haben wir sie vor einigen Jahren getauft. Das Pärchen erweist sich als ein deutsches. Mein Mädchen kommt mit dem weiblichen Part ins Gespräch, so dass die Killary Cruise tief unter uns passieren kann, ohne durch ihren lieblichen Gesang auf ein Riff gelockt zu werden.

Salrock Pass Irland, © 2009 Juergen KullmannDas German couple macht sich in Richtung Fjord-Mündung auf, und auch wir verlassen den Felsen. Es ist nicht mehr weit bis zu jener Mauer, parallel der es den Pass hoch geht. Wir geraten ins Schwitzen. Oben weht ein heftiger Wind. Riesige Felsbrocken, die von der steilen Wand rechter Hand abgebrochen sind, säumen den Weg; bei einem Unwetter sollte man den Pass meiden. Von seinem Scheitel blicken wir auf die kleine Schwester des Killary-Fjords hinunter, davor die Straße, die zum Rosroe Kai führt, an dem hoffentlich noch unser Auto steht. Wir steigen hinab.

*  *  *

Am Abend in Molly’s Bar räumt der kleine Junge, der hier schon vor fünfzehn Jahren die Gläser abgeräumt hatte, sie immer noch ab und ist darüber erwachsen geworden. Auch an Frank und Tony, die weiterhin für die Musik sorgen, sind die Jahre nicht spurlos vorbeigegangen. Tony singt Spencil Hill:

... The old ones are all dead and gone
The young ones turning grey ...

‘Turning grey’ – Frank ist mit seinen sechzig Jahren fast weiß und Charlie, mit dem er die letzten Jahrzehnte hier gespielt hat, seit Oktober ‘dead and gone.’ Er muss schon recht weit in den 70-ern gewesen sein, auch wenn er mit seinem schwarzen Haar deutlich jünger wirkte. Keine Gene sondern Farbe, hatte uns Johnnie einst verraten, mit dem er nun auf Wolke 7 musiziert. Wir vermissen Charlie und sein Akkordeon.

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Sonntag, 21. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Dreizehnter Brief

Moin moin Nis — Ich blättere gerade im Tagebuch meiner Mitreisenden, und – ich habe es fast geahnt –, da hat der Schreiber etwas ausgelassen. Als er von seinem Loreley-Felsen stieg, vergaß er seine Alu-Sitzmatte. Was Menschen aber auch alles so brauchen?! Zehn Minuten später fiel sie ihm wieder ein, und sie kehrten noch einmal um.

Die Matte – sie war mit den Wind an den Rand des Abhangs geflogen – hat ihm ‘sein Mädchen’ zurückgeholt. Die hat nämlich die große Berg- und Kletterschaf-Lizenz, so wie die Zora in dem Buch Glennkill, während er bestenfalls eine Zulassung als Deichschaf bekäme. Für Deiche, die nicht sehr steil abfallen, versteht sich, damit ihm nicht schwindelig wird.

Heute sind meine Mitreisenden schon wieder in Galway. Sie wollen noch etwas von dem leckeren Ziegenkäse besorgen, den sie dort neulich auf dem Markt entdeckt hatten. Wahrscheinlich nur ein Vorwand! Paddy-the-Sailor und ich sind ganz gespannt, was sie sonst noch alles mitbringen.

Da fällt mir noch etwas ein: Paddy-the-Sailor hat mir erzählt, dass er einst mit einem Kapitän auf großer Fahrt war, dem nichts über Buchweizengrütze mit einem großen Stich Butter ging. Die musste er ihm jeden Morgen zubereiten, denn Paddy-the-Sailor gilt in Seefahrerkreisen als einer der besten Köche für dieses Gericht*.

So viel für heute. Tschüüs und viele Grüße auch an Jan Hinrich von

Eileen Óg

* Ob Eileen Óg da irgendetwas im Schilde führt? Immerhin gilt Buchweizengrütze mit viel Butter als Lieblingsspeise nordfriesischer Pukken. (Anm. d. Hrsg.)

Der Chronist fährt fort

Da hatte sich Eileen Óg aber gewaltig verspekuliert, denn wir kommen mit ‘so gut wie fast gar nichts’ aus Galway zurück. Und auch ohne Ziegenkäse, denn auf dem sonnabends und sonntags um die St. Nicholas Kirche abgehaltenen Markt gibt es am Tag des Herrn keine Lebensmittel.

Galway, The Long Walk, © 1995 Juergen Kullmann
Galway, The Long Walk
Galway Harbour, © 2009 Juergen Kullmann
Galway, Hafenanlagen

Die meisten Läden in der City hingegen haben ihre Pforten sonntags geöffnet – das war vor zehn Jahren noch ganz anders. Die Liebste interessierte sich speziell für die Schuhläden, in denen wir viel Geld sparten. Ein Modell bei Brown Thomas, das es ihr angetan hatte, gab es in ihrer Größe nicht (von 75 auf 45 runtergesetzte Euros gespart), beim zweiten Paar (von € 120 auf € 85 heruntergesetzt) war ihr der Zuschnallmechanismus zu kompliziert. Ein drittes Paar Schühchen im Eyre-Square-Shoppingcenter fand sie zwar ganz hübsch, doch der Preis von € 125 überzeugte sie nicht, und beim vierten Paar im dritten Laden war ihr die Entscheidungsfreude abhanden gekommen, was eine Einsparung von weiteren 55 Euro bedeutete. Womit sich der eingesparte Betrag auf € 310 belief. Zieht man davon die Ausgaben von 38 Euro für Benzin, 26 Euro für ein leckeres Essen im Tamarind (ehemals Lemon Grass Restaurant) und 16 Euro für vier Guinness am Abend ab, ergibt sich, würde Finanzminister Brian Lenihan im Dáil argumentieren, ein Überschuss von € 230, den man nun ausgeben kann.

Genug gerechnet und gespart. Wir lassen die Läden links liegen und wandern durch den Spanischen Torbogen über den Long Walk zum Hafen.

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Montag, 22. Juni 2009

EGrab Charlie O’Malley, © 2009 Juergen Kullmanns sollte eine Wanderung ab Renvyle Castle um Renvyle Head werden, doch dort, wo der Weg zum Friedhof abzweigt, nehmen unsere Füße diese Richtung, und ohne zu suchen stehen wir plötzlich am Grab von Charlie O’Malley. Umrandet von Feld- und Wiesensteinen sehen wir ein Holzkreuz, auf dem nur ‘Charlie’ und das Jahr 2008 zu lesen ist, doch irgendwie wissen wir, dass es ‘unser Charlie’ ist. Vor dem Kreuz liegt ein großer Strauß frischer Blumen, darin eine Karte: A happy Father‘s Day, Dad. Gestern war Vatertag.

Wir setzen uns auf die Bank an der Mauer, vor uns das ‘final home’ einer anderen Bekannten: Mary Sammon aus Tully Cross und geb. Joyce aus Recess, die sich mit nur 48 Jahren aus ihrem Pub Angler’s Rest verabschiedet hat. Eine der Joyces of Recess war sie also. Kam hier Geld zu Geld? Das spielt jetzt keine Rolle mehr. Patrick Sammon trauert immer noch um sie.

Grab Charlie O’Malley, © 2009 Juergen KullmannIch schaue nach links in Richtung Meer, das einen Moment lang in der Sonne glänzt, während ein ‘sunny spell’ durch die Wolkendecke dringt. Der Blick bleibt hängen an einem kleinen Grabstein direkt an der Mauer. Neugierig gehe ich hinüber und entdecke schon wieder einen bekannten Namen: Fionn Knowland-Coyne, gestorben 1989 im Alter von 14 Monaten. Ein Enkel des seligen Paddy Coyne aus Tully Cross.

Sein anderer Großvater, Prof. Tony Knowland vom Exeter College in Oxford, kam seit den 1950-er Jahren regelmäßig nach Renvyle und wanderte, nachdem dieser Zipfel Irlands an das Stromnetz angeschlossen worden war, mit seinem Tonbandgerät von Haus zu Haus und Pub zu Pub, wenn irgendwo gespielt, gesungen und getanzt wurde. Im Dezember 2006 starb er; seine Aufnahmen liegen nun im nationalen Musikarchiv in Dublin.

Wir brechen wieder auf, vorbei am Grab von Johnnies Eltern, und haben nach dem Besuch so vieler bekannter Seelen keine Lust mehr, unsere Wanderung fortzusetzen. Außerdem ist es warm geworden und eher ein Tag zum Baden, meint mien Deern.

*  *  *

Eileen Óg an Nis Puk
– Vierzehnter Brief

Moin Nis, hallo Jan Hinrich — Während meine Mitreisenden heute Vormittag unterwegs waren – ich glaube, sie haben ein paar Besuche gemacht – kam der Brief mit eurer Frage an. Natürlich könne er beim Skat den dritten Mann abgeben, hat Paddy-the-Sailor gemeint, wegen seines verlorengegangenen Arms sei er noch lange nicht behindert. Als ich ihn informierte, dass Pukken gerne Geschichten hören, verriet er mir, dass er das Geschichtenerzählen im Rahmen seiner Ausbildung als Seebär von der Pike auf gelernt hat. Seemannsgarn spinnen, hieß, glaube ich, das Unterrichtsfach.

Heute Nachmittag waren wir noch einmal an dem Strand, an dem Paddy-the-Sailor letzte Woche angetrieben worden war. Seinen verlorengegangenen Arm haben wir allerdings nicht gefunden. Hildegard ist dann Baden gegangen, trotz der Gefahren, die das Meer – wie man an Paddy-the-Sailor sieht – birgt. Sehr unvernünftig finde ich, doch sie hatte Glück und kam mit beiden Armen wieder an Land.

Als die Flut kam und meine zwei Mitreisenden von ihrem Sitzstein vertrieb, stand links von uns auf einer ins Meer ragenden Landzunge die weiße Kuh von Renvyle, sah zu uns herüber und dachte sich ihren Teil. Und dachte und dachte. Nach einer halben Stunde legte sie sich ins Gras und dachte weiter. Noch eine halbe Stunde verging; dann hatte sie ausgedacht, stand auf und verschwand. Was sie wohl von uns gedacht hat?

Tschüüs und viele Grüße
von Paddy-the-Sailor

Eileen Óg”

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Dienstag, 23. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Fünfzehnter Brief

Moin moin Nis – oder ‘Dia dhuit’, wie man hier sagt. Wir waren heute auf Omey Island, eine kleine Insel an der Westküste gegenüber dem Dorf An Claddach Dubh. Auf Deutsch bedeutet das ‘Der schwarze Strand’, doch der Strand ist gar nicht schwarz, sondern weiß. Auch das Watt, über das man bei Ebbe zur Insel laufen kann, ist weiß und nicht so schwarz wie bei euch in Nordfriesland.

Es war gerade Ebbe, und so sind wir über den feuchten Sand zur Insel gewandert, auf der gegenüber dem Festland ein kleiner Friedhof in den Dünen liegt. Dort haben wir uns in den Sand gesetzt und beobachtet, wie hierzulande gearbeitet wird. Drei Arbeiter vom County Council reparierten einen Zaun. Das funktioniert so:

Graveyard Omey Island, © 2008 Juergen KullmannZunächst besichtigt man eine Viertelstunde lang einen Zaunpfosten und bespricht, was zu tun ist. Anschließend geht man drei Meter weiter zum nächsten Pfosten und berät sich dort erneut. Das dauert noch einmal fünfzehn Minuten, denn ein guter Plan ist die Basis für eine solide Arbeit. Schließlich holt einer eine Schüppe. Während zwei Männer die Baustelle sichern, sticht einer das Gras um den Pfosten ab und kippt etwas Kies hin. Dann diskutiert man eine Viertelstunde lang das Ergebnis und stellt fest, dass es Zeit für eine Pause ist. Die währt eine halbe Stunde. Ist diese verstrichen, sichern erneut zwei Arbeiter die Baustelle, während der dritte entlang des Zauns ein Meter weit das Gras absticht. Damit jeder einmal drankommt, übergibt er dann den Spaten an seinen Kollegen, der den nächsten Meter bearbeitet und ihn danach an den dritten im Bunde weiterreicht, denn die Arbeit muss gerecht verteilt werden. Ist man am zweiten Zaunpfosten angelangt, wackelt man ein bisschen an ihm herum, erörtert, ob er vielleicht ersetzt werden muss, stellt aber nach einem Blick aufs Meer fest, dass möglicherweise bald die Flut kommt. Also macht man Feierabend und fährt mit dem Auto durchs nasse Watt aufs Festland zurück.

Wir sind zu Fuß zum Festland zurückgekehrt, wo wir an der Kirche unser Auto geparkt hatten. So viel für heute. Viele Grüße auch von Paddy-the-Sailor sendet

Eileen Óg”

Der Chronist fährt fort

Our Lady Star of the Sea, © 2009 Juergen Kullmann‘Our Lady the Star of the Sea’ ist der Name der Kirche, vor der wir das Auto abgestellt hatten. Die Tür steht offen, also treten wir ein. Ein Kirchenfenster zeigt die Lady, ein anderes das Schiff, auf dem sie hergesegelt ist. Wir betrachten die Decke, ein umgekehrter Bootsrumpf, geht uns durch den Sinn. Ob man das Schiff, auf dem sie übers Meer gekommen ist, umgedreht und darunter die Kirche errichtet hat? Doch wer ist diese Lady, dieser ‘Stern des Meeres’? Man sollte nicht voreilig an eine biblische Jungfrau denken, vielleicht gibt ja ein Blick in die irische Mythologie Aufschluss:

Als Noah seine Arche baute, lesen wir im Lebor Gabála Érenn, dem Buch der Eroberungen Irlands, hatte er Ärger mit der Sippe seiner Enkelin Cessair, doch vielleicht mochte er auch einfach nur den Schwiegersohn nicht. Eine Bande in den Tag hinein lebender, arbeitsscheuer Trinker, Träumer und Faulenzer, nannte Noah sie, und die käme ihm nicht auf seine Arche. So baute sich Cessair mit ihrem Clan ihr eigenes Schiff, ließ sich mit drei Männern und 49 weiteren Frauen übers Wasser treiben und strandete vierzig Tage vor der Sintflut – es war das Jahr 2242 nach der Erschaffung der Welt – auf einer unbesiedelten Insel, die die Menschen später Irland nannten. Dort setzten sie das göttliche Gebot ‘Wachset und mehret euch’ in die Tat um. Zwar wird im Buch der Eroberungen die Dingle-Halbinsel als Endpunkt der Reise genannt, doch die Angaben sind eher schwammig, so dass es sehr wohl sein kann, dass sie in An Claddach Dubh an Land gingen, ihr Schiff umdrehten und zum Dank für ihre Rettung eine Kirche daraus machten.

Und vergleicht man jetzt Noahs Beschreibung der Sippe seiner Enkelin mit der Arbeitsweise der drei Männer vom County Council am Friedhofszaun von Omey Island – – – keine Frage, das müssen ihre Nachfahren sein. Our Lady the Star of the Sea ist Noahs Enkelin!

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Mittwoch, 24. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Sechzehnter Brief

Moin moin Nis — Im Westen nichts Neues! Wir hatten heute einen schönen, ruhigen Tag. Es war recht warm, doch wehte eine angenehm frische Brise, so dass wir eine Rundwanderung um die Spitze unser Halbinsel gemacht haben, im großen Bogen um den Friedhof, der auf einem Hügel liegt. Der Name Renvyle kommt von Rinn Mhaoile. Das heißt ‘Kap der O’Malleys’, und so liegen auf dem Friedhof viele O’Malleys begraben. Meine Mitreisenden haben da neulich ein paar Besuche gemacht.

Als wir die äußerste Spitze der Landzunge erreicht hatten, zeigte sich wieder einmal, wie hilflos Menschen sind, wenn sie ohne ein kompetentes Navigationsschaf reisen. Da saßen wir auf einer kleinen Mauer und blickten tief unter uns auf das Meer, als ein Wohnmobil mit englischem Kennzeichen den Feldweg hochgerumpelt kam und hundert Meter vor uns an einem Gatter stehen blieb.

Ein Mann stieg aus und winkte. Wir gingen über die Wiese zu ihm hin. “I’ve lost the road”, sagte er, “can you help me?” “Do you have a map?” fragte Jürgen. “Yes, I have”, antwortete er, kramte einen Atlas hervor, blätterte – und zeigte uns eine Karte von der Dingle-Halbinsel ...

Tschüüs und einen schönen Gruß auch an Jan Hinrich senden

Eileen Óg und Paddy-the-Sailor”

Der Chronist fährt fort

Am Nachmittag sitzen wir vor dem Cottage, Anne Jack kommt vorbei. Eine wichtige Frage wird gelöst: wer ist jener Kenneth Coyne, der uns vor zwei Wochen auf dem Sinn-Féin-Plakat am Eingang von Tully Cross begrüßt und bei der Wahl vergeblich versucht hatte, als Ratsherr in den Galway County Council einzuziehen. Zu welchem Zweig der vielen ‘Coynes of Renvyle’ gehört er?

Zum Mullaghglosser, erfahren wir, denn er ist ein Enkel von Johnnies ältestem Bruder Pádraig. Sein Vater ist Phil ist ein großartiger Querflötenspieler, der auch eine hervorragende Stimme hat.

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Donnerstag, 25. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Siebzehnter Brief

Hallo Nis – Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie Paddy-the-Sailor gestrahlt hat, als ich ihm von deiner Einladung erzählt habe, in uns Huus zu ziehen und bei dir und Jan Hinrich zu wohnen. Er findet Irland zwar sehr schön, und das Cottage auch, doch man wisse ja nie, meint er, ob ihn in Irland nicht irgendein kleiner Cottage-Mieter an den Strand entführen und bei Flut im Sand hocken lassen würde.

Ich habe auch schon ein Reisekonzept für ihn ausgearbeitet. Am Sonntag fliegt er erst einmal mit uns nach Dortmund, wo ich ihn eingehend über Nordfriesland informieren werde, und im September fahren wir dann alle zusammen nach Tönning.

Heute Vormittag haben wir eine Wanderung über das Moor gemacht. Der Weg war an einigen Stellen etwas feucht, was mir gar nicht liegt – außer die Feuchtigkeit befindet sich unter einem Schiffskiel, versteht sich. Der Himmel war grau, doch die Wolkendecke so hoch, dass sich die Gipfel des Diamond Hill und Tully Mountain nicht über ihr verstecken konnten. Komisch, dass der Diamond Hill ‘Hügel’ heißt, wo er doch viel höher als der Tully Mountain ist, der sich ‘Berg’ nennt.

Das Moor war etwas hügelig und leuchtete in verschiedenen Grünfarben, besonders, wenn mal ein Sonnenstrahl aus einem Wolkenschlitz drang. Doch solche Grauwetter-Sonnenstrahlen sind ausgesprochen fotoscheu. Sobald ein Mensch zu einer Kamera greift, verschwinden sie.

Am Wegrand der Moore findet man immer wieder vergessene oder beim Abtransport vom Karren gefallene Torfsoden. Früher hatten wir meist einen Plastikbeutel dabei und sie eingesammelt, doch in diesem Jahr haben wir von unserer Landlady Ann Jack so viel Torf bekommen, dass wir selbst keinen mehr besorgen müssen.

Einen schönen Gruß an dich und Jan Hinrich von

Eileen Óg und Paddy-the-Sailor”

Der Chronist fährt fort

Präsent, © 2009 Juergen KullmannDer Nachmittag steht im Zeichen des Feinschliffs der Verpackung unseres Mitbringsels für Rose anlässlich der Eröffnung ihres Frisiersalons in Letterfrack. Der Inhalt besteht aus einer Flasche Wein, die Verpackung aus Strandgut, verziert mit einem vom Hardwareshop in Tully gespendeten dicken Bindfaden und etwas rote Heide vom Wegesrand. Schließlich brüten wir noch an einem Text für die Begleitkarte; einfach nur ‘Good Luck’ erscheint uns zu geistlos im Land der Dichter und Sänger.

Diamond Hair Studio Letterfrack, © Juergen KullmannGegen sieben brechen wir nach Letterfrack auf. Wir wünschen der Jungunternehmerin mit vier (?) Enkeln ein “good sailing through the waves of recession”, dann darf ich die Small-Talk-Begabung meines Mädchens bewundern. Wäre Mrs. McAleese (die mit Wohnsitz im Dubliner Phoenix Park) vor Ort gewesen, hätte sie sie garantiert in ein längeres Gespräch verwickelt. Da sie nicht erscheint, unterhalten wir uns statt mit der Mutter der Nation mit Frank und Roses Müttern, Roses Schwestern aus der Grafschaft Tyrone sowie einer Judy aus Schottland, deren Englisch wir viel besser verstehen als das vieler Iren.

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Freitag, 26. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Achtzehnter Brief

Moin moin Nis – Es wird Abend, ich sitze mit Paddy-the-Sailor am Torffeuer, und wir schauen auf die Tür zur Küche. Was an einer Tür so Besonderes ist? Da hängen die drei Bilder, die wir in den letzten drei Wochen gemalt haben. Nun, so ganz richtig gemalt habe ich ja nicht, aber viele gute Ratschläge gegeben. Ein paar Tipps kamen auch aus der Fernsehserie ‘Magic Painting’, die dienstagabends von TG 4 ausgestrahlt wird.

Paddy-the-Sailor findet die Bilder ganz toll und hat gefragt, ob wir im Urlaub immer so viel malen. Meist noch mehr, habe ich ihn informiert, doch dieses Mal waren wir ja die halbe Zeit mit seiner Rettung beschäftigt gewesen, mussten ihn operieren, gesund pflegen und dann auch noch einen Schal aus Galway besorgen. Da blieb wenig Zeit zum Malen.

Das Torffeuer raucht ein bisschen, und wenn Paddy-the-Sailor bis zum Herbst nicht badet, bringt er vielleicht ein bisschen Torfgeruch ins Huus nach Tönning. Das riecht viel besser, kann ich dir sagen, als diese Parfüms, für die manche Frauen ein Heidengeld ausgeben. Ich will ja keine Namen nennen! Paddy-the-Sailor meint, bis September nicht zu baden sei kein Problem für ihn – Wasser habe er bei seinem Schiffbruch genug gehabt.

So viel für heute und schöne Grüße an Jan Hinrich
von Eileen Óg und Paddy-the-Sailor”

Der Chronist fährt fort

Am Abend fahren wir zu unserem ‘Farewell Concert’ mit Frank und Kieran ins Renvyle House. Es ist voll an der Bar, denn morgen findet hier eine Hochzeit statt. Rose wird in aller Herrgottsfrühe Braut und Brautfräulein frisieren, erzählt Frank, und kommt daher heute Abend nicht. Mehr als 30.000 Euro geben die Iren im Schnitt für eine Hochzeit aus, stand neulich in der Zeitung. Noch gegen Mitternacht sehen wir Gäste für die Feier am nächsten Tag eintreffen, ihre Abendgarderobe auf Bügeln vor sich her tragend.

Gegen halb eins machen Frank und Kieran Schluss mit der Musik. Es sind kaum Einheimische in der Bar, und so fällt die Nationalhymne aus. Wir sitzen noch bis halb zwei mit den beiden und Kierans neuer Freundin zusammen. Diese outet sich als Malerin, aber nicht als eine, die – wie wir zunächst annehmen – die Fenster im Renvyle House streicht, sondern als Künstlerin.

Und dann heißt es “Tschüüs bis zum nächsten Jahr”.

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Sonnabend, 27. Juni 2009

Eileen Óg an Nis Puk – Neunzehnter Brief

Hallo Nis – Ich habe alles geregelt, und wir packen für unsere Reise. Morgen früh geht es mit dem Auto nach Dublin und von dort am Nachmittag mit dem Flugzeug nach Deutschland. Paddy-the-Sailor wird mit mir im Rucksack reisen, Handgepäck nennen das die Menschen. Im Koffer will ich ihn nicht reisen lassen, denn bei Koffern weiß man nie, wo sie am Ende wieder auftauchen. Als wir vor einigen Jahren aus St. Petersburg kamen, landeten wir zwar in Düsseldorf, ein Koffer jedoch in Frankfurt. Da war ich aber froh, dass ich nicht im Koffer gereist bin, kann ich dir sagen!

So, jetzt muss ich Schluss machen und aufpassen, dass im Rucksack noch Platz für uns bleibt, denn du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Kram Menschen auf Reisen mit sich herumschleppen. Wir bleiben zwei Monate in Dortmund, und im September bringe ich Paddy-the-Sailor nach Tönning. Er ist schon ganz gespannt, dich und Jan Hinrich kennenzulernen.

Tschüüs und alles Gute
Eileen Óg und Paddy-the-Sailor”

Der Chronist fährt fort

Unsere mehr als nur sieben Sachen sind mehr oder weniger gepackt, und jetzt sitzen wir vor dem Cottage – es war noch etwas Wein in der Flasche. Die Katz hockt auf der Mauer und beobachtet uns. Was sie wohl denkt? Merkt sie, dass wir abreisen, und fragt sie sich, was sie von den nächsten Bewohnern des Cottage zu erwarten hat?

Am Vormittag waren wir noch einmal an Gogartys ‘zweimal umspültem Renvylestrand’ und hatten im Tankstellenladen von Tully den Wein eingekauft. Ein Teil davon ging in die Suppe, den Rest trinken wir jetzt aus.

Von einem ganz köstlichen Chicken Kiev beim Barden in Letterfrack habe ich vergessen zu berichten, es ist schon ein paar Tage her. Die Zubereitung dauerte etwas länger. “Pass mal auf”, meinte mein Mädchen, “Gleich kommt der Kellner und sagt:

“Sorry, the chicken is on the run. Dürfen es auch Napfschnecken sein, der Koch ist nicht mehr der Schnellste?”

Das geknoblauchte Chicken wurde nach siebenundzwanzig Minuten – zwei später als angekündigt – serviert.

*  *  *

Brian macht seinen Laden gleich dicht, und ich gehe hinüber uns zu verabschieden. Er verspricht, das Geschäft bis zum nächsten Jahr fortzuführen, wenn wir versprechen wiederzukommen. Auch werde er den Schlüssel zum Brikettschuppen dann immer in Reichweite haben. Neulich fand er ihn nicht, und wir mussten die Briketts mit dem Auto aus Tully holen. Tief in seiner Seele ist er ein Farmer, erzählte uns Anne Jack, und wenn er von seiner kleinen Farm leben könnte, hätte er den Laden längst aufgegeben. Zwei neugeborene Kälbchen seien sein Ein und Alles.

Am Abend schaut sie noch einmal vorbei und will uns für morgen ein Frühstück gegenüber im Maol Reidh Hotel spendieren. Wir lehnen dankend ab, denn wir müssen früh los und die Sache würde uns zu hektisch. So verabschieden wir uns bis zum nächsten Jahr.

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Weitere Reiseberichte


Reiseberichte Irland: Connemara 2009
© 2010 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 30.03.2011