Irisches Tagebuch 2007

Forty Shades of ... ?

 

Sonnabend, 9. Juni 2007

Errislannan Garden soll für gerade einmal fünf Euro zu besichtigen sein, hatten wir gestern auf einem Werbeposter gelesen. Das klingt doch gut, verglichen mit den 12 Euro, die man zahlen muss um in den Garten von Kylemore Abbey zu kommen. Nichts wie hin!

The Return to ClifdenDer Landsitz liegt auf einer Halbinsel unterhalb der Clifden Bay. Nach einem Drittel des Weges passieren wir auf einer kleinen Anhöhe das Alcock and Brown Monument, eine in den 50-er Jahren recht kunstlos gemauerte Rückenflosse eines Flugzeugs, mit der man an die Landung der ersten beiden Atlantikflieger anderthalb Meilen südlich von hier im Moor erinnern will. Am 14. Juni 1919 hatten die in Neufundland gestarteten Flugpioniere John Alcock und Arthur Whitten Brown nach einem 20-stündigen Flug in einem hölzernen Vickers Vimy Doppeldecker dort eine Bruchlandung hingelegt. Vor zwei Jahren hatten zwei Abenteurer unserer Tage den Flug in einem Nachbau des historischen Fluggeräts wiederholt, waren aber nicht im Moor, sondern (heil) auf dem nahegelegenen Golfplatz bei Slyne Head gelandet. Als The Return to Clifden wurde das Ereignis in den Medien gefeiert.

Wir halten kurz an. Der Blick reicht im Süden bis zur Mannin Bay; im Norden ist über zwei kleinere Buchten hinweg die Sky Road von Clifden auszumachen. Der tatsächliche Landeplatz von Alcock & Brown kann nicht mit einer solchen Aussicht aufwarten.

Die Fahrt geht weiter. Verträumt begrüßt uns Errislannan Manor am Lough Nakilla, dem ‘Kirchsee’. Forellen soll es hier geben, doch das Gut ist in erster Linie ein Reiterhof und macht einen vorzüglichen Eindruck. Eine Gruppe Jugendlicher startet unter fachfraulicher Anleitung zu einem Ausritt ins freie Gelände.

Gartenbesucher, so lesen wir am Eingangstor, werden gebeten, sich am ‘Stable Office’ zu melden und den Eintrittspreis zu entrichten. Doch bei den Stallungen ist – abgehen von einem freundlich um uns herumschnuppernden Hund – niemand anzutreffen. Auch haben wir den Eindruck, dass abgesehen vom lauschigen Weg zur Koppel und zum parkähnlichen Rasen vor dem See nicht viel Garten existiert. So begnügen wir uns mit einem Foto des bunten Bootes am Seeufer und treten den Rückzug an.

*  *  *

Am Abend spielen Frank und Charlie in Molly’s Bar. Mollys Nachfahrin Sally hat nach vielen Jahren endlich einmal renoviert. Das schreckliche Ungetüm von Fernseher über dem Kamin ist verschwunden, statt dessen hängt ein sehr viel dezenteres Modell im Winkel über der Tür zu den – man mag’s nicht glauben – gleichfalls frisch gestrichenen Toiletten.

‘Patriotisch’ könnte man den neuen Einrichtungsstil nennen. Über der Bar hängen die Konterfeis von Patrick Pearse, Michael Collins und James Connolly; kein Wunder, dass die Hinrichtung des letzteren vor 91 Jahren dann gleich mit

... they murdered James Connolly, the Irish rebel

besungen wird. Als Rebellin erweist sich auch Sally, und zwar beim Guinnesspreis. Auch in diesem Jahr ist sie aus dem Preiskartell ausgeschert und nimmt mit € 3,60 zehn Cent weniger als die Pubs im Unkreis. Ein Hoch auf unsere Rebellin! Frank sollte besser sie besingen.

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Sonntag, 10. Juni 2007

s ist der achte Sonnentag in Folge, und er soll zum heißesten Tag des Jahres werden. Doch wer weiß, was für Tage noch folgen? Am Strand von Sandymount nimmt John Gormley, Verhandlungsführer der Grünen bei den in der vergangenen Woche in Dublin gescheiterten Koalitionsgesprächen, an einem Umbrella Action Day gegen den Klimawandel teil und präsentiert sich unter einem bunten Regenschirm inmitten einer eher fröhlichen als kritisch-besorgten Menge.

So einen Schirm könnte ich jetzt auch gebrauchen, während ich in Glassilaun unterhalb einer Grasböschung etwas Schatten suche. So ‘überlaufen’ war der Strand noch nie – geschätzt ein Besucher auf 500 bis 1.000 Quadratmeter! Ob es sich dahinten um eine typisch irische Familie handelt: 1 Mann, 2 Frauen, 7 Kinder.

Ein Tag also, an dem sich vor der Mündung des Killary Harbour außer Himmel, Meer und Berge auch ein paar Menschen beobachten lassen. Auch einer zum Beobachten von Delphinen, hatte Anne Jack heute früh versprochen, doch die lassen sich nicht blicken. Dabei ist kaum jemand im Wasser. Nur einer von zehn kann hier schwimmen, hat uns kürzlich die Frau des Bestatters erzählt. Ein älterer Herr, der in Unterhosen über den Strand läuft und sich in die Fluten stürzt, offensichtlich schon. Da muss ihr Mann auf einen anderen Kunden warten

Wir bleiben den ganzen Tag am Wasser, und während mein Mädchen mehrfach Kontakt mit dem kühlen Nass aufnimmt, versuche ich ein wenig zu schreiben. Doch ist es schwierig, eine dazu geeignete Sitzposition zu finden, und so gebe ich es bald auf und beschränke mich aufs Beobachten.

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Sonntags gibt es Livemusik bei Sammon’s, dazu müssen wir nur über die Straße! Frank hat Fotos von seinem großen Auftritt in Arnsberg mitgebracht, dazu einen Ausschnitt aus der Arnsberger Zeitung. Und nun können wir endlich einmal erklären, wo genau wir hauptberuflich wohnen. Am nächsten Tag weiß es das ganze Dorf, in Dortmund, a town northwest of Arnsberg.

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Montag, 11. Juni 2007

Heavy thundery downpours on menu over coming days”, kündigt der Irish Independent in einem ganzseitigen Artikel an – vielleicht lernen wir Irland nun von seiner grauen Seite kennen. Von schweren, gewittrigen Niederschlägen ist zwar noch nichts zu spüren, doch ist der Himmel grau und die Luft verglichen mit den letzten Tagen angenehm frisch.

Wir fahren ein weiteres Mal auf die Errislannan Halbinsel, diesmal zu einem auf unserer Karte eingezeichneten Anleger. Der erweist sich als nicht sonderlich romantisch, eher als Schmuddelecke. Wir lassen das Auto stehen und erkunden die Umgebung zu Fuß. Ob wir es bis Errislannan Point schaffen, der Spitze der Halbinsel?

Natürlich nicht, noch nicht einmal die halbe Strecke! Auf einer von Flechten überzogenen Felsformation lassen wir uns nieder. Mein Mädchen in ihrer grünen Hemdbluse vor einem grauen Himmel und dem grauen Meer – ein typisches Irlandfoto? Auf jeden Fall kommen wir damit den ‘forty shades of grey’ etwas näher. Von links muht uns eine Kuh recht ungnädig an. Sie ist wohl anderer Meinung, doch so ein Rindvieh muss ja nicht immer Recht haben.

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ZeitschriftEs geht auf zehn Uhr zu. Wir hocken im Hinterzimmer vom Paddy Coyne’s, denn heute Abend soll es hier Musik geben. Ein junger Mann offeriert den Jugendlichen vor uns An Phoblacht, die Hauszeitung der Sinn Féin, in der bis vor gar nicht langer Zeit ein gewisser P. O’Neill die Statements der IRA verkündete. ‘Irlands meistverkaufte politische Wochenzeitung’ nennt sie die Sinn Féin. Wir bekommen kein Exemplar angeboten, statt dessen deponiert der Jüngling die nicht verkauften an der Kasse hinter der Bar.

Ein nicht mehr ganz so junger Langmähniger macht sich mit seiner Gitarre neben der Tür zum Beer Garden breit. Smoker’s Garden wäre ein ebenso zutreffender Begriff für die seit Einführung des Rauchverbots sich ausbreitenden Biergärten. Hier trifft er im doppelten Sinn zu, denn Gerard hat in seinem Biergarten zur Mückenabwehr einen aus einem offenen Schlot rauchenden Kanonenofen aufgestellt. Wie eine Dampflok unter Volldampf wirkt das schwarze Ungetüm, nur dass es sich nicht bewegt. Wer hinaus zum Rauchen geht, braucht weder Zigaretten noch Pfeife, sondern muss nur noch tief einatmen: budget smoking, a special service of Paddy Coyne’s!

Allerdings flüchten die Mücken jetzt in die Bar, wo der Langmähnige – auch er war letztes Jahr in Arnsberg – erst seine Gitarre und dann It’s a Hard Rain A-Gonna Fall anstimmt. Wie auf Kommando beginnt es zu regnen.

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Dienstag, 12. Juni 2007

Knapp 300 m über dem Meer auf dem Scheitel des Mám Éan Passes liegt die ‘Quelle des heiligen Patrick’. Sie ist nun durch eine Trockensteinmauer eingefasst, davor eine Tafel mit der Information, dass sich der Heilige hier labte. Schade, wir fanden es schöner, als sie noch zwischen den Sträuchern verborgen lag.

Inagh Valley, © public domainWir lassen uns auf dem Sockel vor der Altargrotte nieder, stärken uns mit Scottish Shortbreads und nehmen einen Schluck aus der Wasserflasche. Heilig oder nicht, dem Wasser aus dem Tümpel trauen wir nicht so ganz. Rechts von uns (auf dem Foto links) das Inagh Valley und linkerhand das Maam Valley – seit mehr als 15 Jahren sind wir in jedem Juni hier oben zwischen den Maamturk Mountains. Der Himmel ist bedeckt, und von ein paar Schafen abgesehen sind wir allein. Einen Steinwurf weit neben uns am Hang die im vergangenen Jahr renovierte Kapelle, davor die Statue eines noch jungen Mannes, der nachdenklich auf die gegenüberliegenden Berge blickt.

Pádraig Mór na hÉireann,

‘Patrick der Große von Irland”, liest man auf dem Sockel. Das klingt eher nach einem Großkönig als nach einem Heiligen. Und heiligmäßig waren die Wallfahrten zu dieser Pilgerstätte nicht immer, mussten sie doch im frühen 20. Jahrhundert eingestellt werden, da auf dem Weg nur noch gesoffen und geprügelt wurde. Vor etwa zwanzig Jahren wurden sie wieder aufgenommen und laufen jetzt etwas zivilisierter ab. Dreimal im Jahr pilgert man zur Quelle, am 17. März, dem St. Patrick’s Day, am Karfreitag und am letzten Sonntag im Juli, an dem auch die Wallfahrt zum Hauptsitz des Heiligen auf dem Croagh Patrick stattfindet.

Wir kratzen unsere Initialen und Besuchsdaten (June ’92, June ’93, ... June ’06, June ’07) auf eine neben der Kapelle liegende Schieferschindel und stellen sie zu den Devotionalien in die Altargrotte.

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Auf dem Heimweg machen wir einen Umweg über Sráid Salach bzw. Recess und statten dem Craftshop der Joyces of Recess einen Besuch ab, der uns um zwanzig Euro erleichtert. Wieder im Inagh Valley, gabeln wir nach zirka einem Kilometer ein schwer rucksackbepacktes Pärchen auf, das Irland nach eigenem Bekunden zu Fuß erkunden will. Gestern in Dublin gelandet, fuhren sie mit dem Zug nach Galway und heute Morgen mit dem Bus nach Recess. Ihr Tagesziel ist der Campingplatz am Renvyle Beach. Besser hätten sie es nicht treffen können, das ist fast vor unserer Haustür! Wir genehmigen ihnen einen kurzen Foto-Stopp bei Kylemore Abbey, ehe wir sie in Tully Cross aus dem Auto lassen. Einen Kilometer haben sie es jetzt noch bis zum Campingplatz und sind dann von den ersten 300 km ihrer Wanderung zwei Kilometer gelaufen.

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Es ist halb sechs. Zu früh noch fürs Abendessen, also fahren wir nach Mullaghgloss, um Johnnies Witwe Margaret zu besuchen. Der zweite Versuch, denn gestern hatten wir niemanden angetroffen.

Die Hintertür steht offen, doch sie ist auch heute nicht daheim. Ihr Jüngster Gerard kommt aus der Küche. Der Mann ihrer Tochter Jeannie ist gestern gestorben, erfahren wir betroffen, ein Herzinfarkt, und nun ist sie bei ihr in Leenaun. Am Donnerstag ist die Beerdigung. Wir richten unser Beileid aus und versprechen, in der kommenden Woche vorbeizuschauen.

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Mittwoch, 13. Juni 2007

Ein grauer Tag, wie gemacht für einen Ausflug nach Galway. Die Parkplatzsuche gestaltet sich von Jahr zu Jahr schwieriger. Vor Lidl & Co. gibt es Kundenparkplätze, so dass es kein Problem ist, den Weinvorrat zu ergänzen. Doch wohin dann? Parkern, die nicht im Laden sind, werden drakonische Maßnahmen angedroht.

Nach einer Odyssee durch die Stadt, nicht zuletzt dadurch verursacht, dass Fahrer und Navigatorin unterschiedlicher Auffassung sind, was in Irland ‘rechts’ und ‘links’ zu bedeuten hat (da man auf der ‘anderen Straßenseite’ fährt, ging der Fahrer davon aus, dass sich diese Bedeutungen umkehren), landen wir vor der Claddagh Hall. Und wieder sind sich Fahrer und Navigatorin uneinig: Während sich der Fahrer überzeugt zeigt, dass der Wagen nicht auf den schmalen Schotterstreifen zwischen einer gelben Doppellinie und der Böschung zum Wasser sowie zwei anderen Fahrzeugen passt, meint die Navigatorin, er passe doch. Also steigt der Fahrer aus ... und die Navigatorin fährt in die Lücke. Die hat sich mittlerweile wohl geweitet.

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Lemongrass GalwayLunchtime in Galway. Auf den Speisekarten der Pubs und Restaurants von Fat Freddy bis ich-weiß-nicht-was hat sich – sieht man von den Preisen ab – in den letzten zehn Jahren kaum etwas getan. Da probieren wir doch einmal das Lemongrass aus, ein neues ‘award winning’ asiatisches Restaurant am spanischen Torbogen. Jede Hauptmahlzeit unter zehn Euro und alles ohne künstliche Farb- und Konservierungsstoffe, entnehmen wir der Werbung an der Eingangstür, und eine Außengastronomie gibt es auch. Nur kein Guinness. Wir entscheiden uns für Wok-fried Lamb mit gebratenem Reis und trinken dazu Tee. Nicht übermäßig viel, aber sehr lecker!

Dann geht es ans Shoppen. Die heutige Einkaufsliste, von den Lebensmitteln bei Lidl abgesehen: 3 T-Shirts für die Liebste aus dem Dunne Store (Buy one and get one free), ein Buch über Joyce’s Dublin bei Easons (als Restexemplar von € 29,90 auf € 6,00 herabgesetzt!) und aus dem Winding Stair, dem interessantesten Souvenirladen der Stadt, ein Paar Ohrstecker für Lola, die bald Geburtstag hat. Dann beginnt es zu regnen und wir fahren heim.

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Donnerstag, 14. Juni 2007

Dawros Beg nennt sich die kleine Halbinsel unterhalb der Renvyle Peninsula. Kommt man von Letterfrack, so geht es vor der früheren National School – also noch vor der Brücke über den Dawros River (Ochsenfluss) – links ab. Vor dreizehn Jahren stand das Gebäude für umgerechnet 45.000 Euro zum Verkauf, hätten wir es erworben, so hätte es uns im vergangenen Jahr € 200.000 eingebracht.

Wir wandern über die schmale, gewundene Straße zur Spitze der Landzunge. Himmel und Wasser haben sich auf ein einheitliches Grau geeinigt – von ‘vierzig Schattierungen’ keine Spur. Jenseits der Bucht lässt sich der Avoca-Shop von Letterfrack ausmachen. Ein Reifenknirschen hinter uns. Wir schauen uns um und treten zur Seite. Es ist der Renvyle-Postmann in seinem grünen Renault-Kastenwagen.

Zehn Minuten später. Eine Zufahrt links der Straße führt zu einem mit Seetang und Muscheln bedeckten Strand, in den einer fahlen Mondsichel gleich eine Landzunge ragt, an deren Ende ein einsames Cottage steht. Davor schaukelt sacht ein Boot im Wasser, ein zweites liegt aufgebockt am Ufer. Wir steigen hinunter, und während ich ein Foto mache, das später in den Papierkorb wandern wird, hält mein Mädchen Ausschau nach ungewöhnlichen Muscheln. Vielleicht eine Auster mit Perle?

Wieder auf der Straße, kommt uns der Postmann auf seinem Rückweg entgegen, stoppt und lässt das Seitenfenster runter. Er habe uns, verrät er nach ein paar einleitenden Bemerkungen zum Wetter, vor sechs Jahren im Paddy Coyne’s fotografiert, das Bild später aber nicht zuordnen können. Doch jetzt sei ihm alles klar: wir seien ‘die zwei aus No. 1 in Tully Cross’. Er werde im Paddy Coyne’s eine Abzug hinterlegen. “Have a nice day and good bye!” Und schon düst er wieder ab. Was man in diesem Land unbewusst für Spuren hinterlässt?

Wir sind am Ende des offiziellen Weges, steigen über einen Stacheldrahtzaun und finden einen Sitzstein. Es gibt in diesem Land viele Karten mit prähistorischen STANDING STONES, mit denen sich jedoch wenig anfangen lässt, da der Leser von wegen

No Access! Private Property!
Trespassers will be prosecuted!

doch nicht an sie herankommt. Vielleicht sollten wir eine etwas praktischere Karte veröffentlichen, eine, mit der der geneigte Wanderer auch etwas anfangen kann, nämlich:

–

Hildegard’s & Jürgen’s
MAP
ot the
SITTING-STONES
of Connemara

–

Für € 9,95 in jedem qualifizierten Craftshop erhältlich.

Und was sieht man von unserem aktuellen Sitzstein? Einen grün bewachsenen, zum Wasser sanft abfallenden steinigen Hang, unten dann die Rest eines Seewasserbeckens, in dem zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine East Atlantic Company die angelandeten Hummer zwischenlagerte. Schweift der Blick nach links, so sieht man über einen der Nebenarme des Ballynakill Harbour hinweg den Hügel, auf dem die von Clifden kommenden Coach Tours Halt zu machen pflegen, während ihre Insassen über die N 59 ausschwärmen, um den Harbour mit dem Tully Mountain dahinter zu fotografieren. Einen roten Bus vermeint mein Mädchen mit ihren besseren Fernsicht-Augen gerade jetzt dort zu erkennen. Was die Ausschwärmer auf dem Hügel bei dem Stopp sehen, entwickelt sich zu einem immer dunkler werdenden Grau-in-Grau. Eine Regenfront kommt von Osten. Wir machen uns auf die Socken, und bald fallen die ersten Tropfen.

*  *  *

Am Abend in E. J. King’s Bar zu Clifden. Die neu formierte Gruppe Glór – das gälische Wort für ‘Stimme’ – hat hier an fünf Abenden in der Woche ein Engagement. Glór, das sind Seán mit seinen Bodhráns, Franks Schwiegersohn Michael (Gitarre und Gesang) und ein uns unbekannter Melodeon- und Akkordeonspieler. Seit der Auflösung der Dúchas hatten wir nichts mehr von Seán gehört – ein Grund mehr, heute Abend nach Clifden zu kommen.

Michael fehlt noch, und dabei wohnt er gar nicht weit von hier. Der Wirt schaut ungehalten zur Uhr, sehr ungehalten, und Seán telefoniert. Mein Mädchen meint, die Wörter ‘Verspätung’ und ‘Hochzeit’ verstanden zu haben. Gegen halb zehn taucht er dann auf, schaut zu uns herüber und grinst: “I am sober tonight”. Womit sich jede Bemerkung dazu erübrigt, in welchem Zustand wir ihn am Sonntag im Angler’s Rest angetroffen hatten.

Let’s go! Seán spielt noch genauso furios wie seinerzeit bei den Dúchas, Michael singt tausendmal besser als sein Namensvetter bei den ehemaligen Dúchas und der Akkordeonspieler gehört zu den besten seiner Profession. Nur dass die CD, die die drei für 15 Euro verkaufen, weniger als eine halbe Stunde Spielzeit aufweist, finden wir arg dürftig. Da mögen sie so gut spielen, wie sie wollen, für 25 Minuten ist uns das zu teuer.

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Freitag, 15. Juni 2007

Es sind zwar nicht die angekündigten ‘gewittrigen Schauern’, aber immerhin regnet es. Mal mehr und mal weniger. Den ganzen Tag über brennt im Kamin ein Feuer aus ein paar Briketts – habe gerade bei Brian Nachschub geholt – und vielen Torfsoden. Letztere kosten uns nichts, da uns Anne Zugang zu ihrem Torfschuppen gewährt hat.

Ein Tag zum Malen und zum Karten schreiben, darunter eine Postkarte an zwei Bekannte im fernen Deutschland, die ihnen zeigt, was man in der guten alten Zeit in Connemara unter duty free verstand:

Hallo ihr Zwei –

Postkarte... und viele Grüße! Wieder einmal hat es uns auf diese Insel getrieben, und sie ist für uns immer noch grandios. Da die Häuser hier allerdings unbezahlbar geworden sind, haben wir uns in diesem Frühjahr eins in Nordfriesland gekauft. Das sind so die Kompromisse im Leben. Während wir hier faulenzen, wird es von unseren beiden Handwerkern renoviert – hoffentlich! Im August sehen wir uns dann das Ergebnis an. Zwischenzeitlich müssen wir aber noch ein bisschen arbeiten, und so sind wir gut beschäftigt.

Tschüüs, Hildegard

Gegen Mittag fahren wir dann zum Lunch nach Veldon’s: Roasted Pork auf Mash, dazu Chips und ein erstklassiger Salat. Das Ganze für € 9,95 – very good value! Ein netter junger Mann serviert uns nicht nur die Mahlzeit, sondern auch seine gar nicht so üblen Deutschkenntnisse. Gegenüber an der Bar hängt immer noch das Foto vom Connemara-Marathon 2006, voran im vollen Galopp ein Schaf. Ein reales Foto, versichert das Mädel hinter der Bar, keine Montage. Doch eine Kopie hat sie leider nicht zu verkaufen

Wieder daheim packt mein Mädchen ihre Farben aus. Hier das Ergebnis: das Haus unseres Nachbarn Noel an einem grauen Junitag:

Noels Haus, Tullcross. © 2007 Hildegard Vogt-Kullmann

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Reiseberichte Irland: Connemara 2007
© 2008 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 05.03.2009