Katta in Kylemore

von Katharina Althaus

Der erste Eindruck

Als ich zum ersten Mal nach Kylemore Abbey kam, war ich arg geschockt beim Anblick der vielen Touristen, die in Scharen über das Anwesen liefen. Das bleibt bei einem 130 Jahre alten Schloss in schöner Natur nicht aus, und so betreiben die Nonnen neben der Schule schon seit langem ein Restaurant und einen Souvenirladen mit vielen Dingen aus eigener Herstellung. Später stellte sich heraus, dass auch wir einen Vorteil davon hatten: wir konnten dort Kuchen essen und Postkarten kaufen. Außerdem sind das Restaurant und der Shop von Oktober bis April geschlossen und es kommen dann nur noch wenige Besucher.

Mein erster Tag

Gleich am ersten Tag wurde ich von der Schulleiterin Sr. Rosario begrüßt und konnte meine Fächer wählen. Es ist so, dass oft zwei Fächer zur gleichen Zeit unterrichtet werden, z. B. Musik und Erdkunde – also muss man sich entscheiden. Mathematik, Englisch, Sport und Religion sind Pflichtfächer, für einheimische Schülerinnen auch Irisch (Gälisch). Neben den Pflichtfächern wählte ich Biologie, Kunst, Musik, Französisch und Latein, wobei ich in Biologie, Musik und Englisch den ‘höheren Level’ (vergleichbar mit einem deutschen Leistungskurs) belegte. Nach zwei Wochen stieg ich in den Deutschkurs ein, der aus zwei Teilnehmerinnen bestand und in dem ich in der Folge hauptsächlich ‘assistierte’. Da ich Klavier spiele und Musik überhaupt sehr mag, nahm ich auch Klavierunterricht und ging in den Chor.

Ich entschied mich, ins 5th year zu gehen, in die vorletzte Klasse, auch wenn ich mit 16 die Abschlussklasse hätte besuchen können. Doch schließlich wollte ich keinen Abschluss in Kylemore machen, das halbe Jahr hätte dazu auch nicht gereicht.

Später wurde ich zu einer Nonne geschickt, die mir die Schuluniform anpasste. In Kylemore besteht sie aus einem grauen Werktags- und dunkelblauen Sonntagsrock, einer blau-weiß karierter Bluse, einem dunkelblauem Pullover mit V-Ausschnitt und aufgenähtem Schulwappen sowie einer Art Schleife, die aus dem Ausschnitt des Pullovers herausguckt, so dass das Ganze wie ein Tuch aussieht. Cravats nennt man dergleichen. Bei den Juniors (1. bis 3. Jahr) sind sie blau und bei den Seniors (5. und 6. Jahr) rot. Dazu kommen dunkelblaue Kniestrümpfe bzw. Strumpfhosen sowie schwarze oder braune Halbschuhe, die jeder selbst mitbringen muss. Zu guter Letzt bekam ich noch einen blauen Trainingsanzug mit dem Schulwappen.

Dann wurde mir die Schule gezeigt, was ziemlich verwirrend für mich war, da das alte Gebäude sehr verwinkelt ist. Ich wurde in dem Schlafsaal im Untergeschoss untergebracht, einem großen Raum, der in sieben sogenannte Cubicles unterteilt ist, worunter man Kabinen mit Holzwänden und Türen zu verstehen hat. Das war zunächst sehr gewöhnungsbedürftig, da in jedem Cubicle nur wenig Platz zur Verfügung steht und die Wände nicht bis zur Decke reichen. Jeder dieser Räume hat ein Waschbecken, eine große Kommode, eine Kleiderstange, eine Ablage, ein kleines Regal und natürlich ein Bett. Im Obergeschoss gibt es einen zweiten Schlafsaal, in dem ca. 20 Schülerinnen untergebracht werden können. Die Zimmer sind etwas größer und haben statt Kommode und Kleiderstange einen Schrank und einen Schreibtisch. Der Grund für die bessere Ausstattung liegt darin, dass das obere Stockwerk nach einem Brand vor ein paar Jahren komplett renoviert werden musste. Ich aber musste mich wohl oder übel damit abfinden unten zu schlafen, weil die Räume oben nur Mädchen zur Verfügung stehen, die ein Jahr oder länger in Kylemore wohnen – und die meisten bleiben zumindest ein Jahr. Die Juniors sind in einem Haus nicht weit vom Schloss untergebracht. Dort wohnen sie in Viererzimmern und können es normalerweise kaum erwarten, endlich alt genug zu sein um in der Abbey wohnen zu können und ihr eigenes, wenn auch nur kleines Reich zu haben.

Katta oberhalb des Schlosses
Katta (l.) mit ihrer Freundin Virginia oberhalb des Schlosses

Meine Mitschülerinnen

Als ich mich soweit eingerichtet und umgesehen hatte, lernte ich einige der neuen Internatsschülerinnen kennen, die wie ich einen Tag früher als die übrigen gekommen waren. Es war sehr angenehm, dass ich nicht die Einzige war, die sich an die festen Zeiten, die Schuluniform und so manche Regel gewöhnen musste.

Entgegen meinen Erwartungen kamen meine Mitschülerinnen in der Tat aus den verschiedensten Ländern. Dies trägt wesentlich zur Atmosphäre in der Schule bei. Jeder bringt ein wenig von seiner Kultur und Lebensweise ein und es entsteht eine sehr lebendige Mischung. Mit mir waren Mädchen aus Irland, England, Frankreich, Luxemburg, Österreich, Slowenien, der Schweiz, den Niederlanden, Spanien, Japan, Tansania, Ghana, Mexiko, USA und Kanada. Ich war die Einzige aus Deutschland, aber nicht die Einzige deutschsprechende. Ein Mädchen aus Österreich wurde zu einer meiner besten Freundinnen – aber nicht, weil sie Deutsch sprach! Irgendwann einmal vereinbarten wir nur noch Englisch zu reden, auch wenn wir unter uns waren, denn vor den anderen taten wir es sowieso. Auch wenn wir uns nicht immer daran gehalten haben, dürfte das kaum unseren Lernprozess verlangsamt haben. Dies war allerdings bei den etwa 35 Mexikanerinnen und Spanierinnen der Fall. Sie blieben meistens unter sich und sprachen dann nur Spanisch. Ich bin mir sicher, dass sie auf diese Weise nicht viel Englisch gelernt haben.

Der Tagesablauf in Kylemore

Um acht Uhr werden die Schülerinnen von einer Supervisor (eine von zwei Frauen, die für uns zuständig und auch unsere Ansprechpartner waren) geweckt. Frühstück gibt es um halb neun, es besteht aus verschiedenen Sorten Cornflakes und Brot. Dazu gibt es Kaffee, Tee oder Milch.

Um neun Uhr fängt die Schule an. Eine Unterrichtsstunde dauert 45 Minuten, dazwischen gibt es jedoch keine Pausen. Da aber sowohl Lehrer als auch Schüler nach jeder oder jeder zweiten Stunde den Raum wechseln müssen, verkürzen sie sich meistens auf ca. 40 Minuten. Von 10.30 bis 10.45 Uhr dauert die Frühstückspause, bis es dann nach weiteren zwei Schulstunden um Viertel nach zwölf das Mittagessen für die Internatsschüler gibt. Die etwa 60 Tagesschülerinnen (‘day girls’) essen in einem anderen Raum ihre mitgebrachten Mahlzeiten, auch wenn sie sich theoretisch ein warmes Mittagessen kaufen könnten. Nach dem Essen wird die Post verteilt: ein Moment, auf den sich alle den ganzen Morgen lang gefreut haben, denn schließlich gibt es nichts Schöneres, als mit Berichten von zu Hause versorgt zu werden!

Nach der Pause beginnt um 13 Uhr wieder der Unterricht und dauert bis 16 Uhr. Die Tagesschülerinnen fahren dann in die umliegenden Dörfer, während die anderen auf freiwilliger Basis zum Afternoon Tea gehen. Dort gibt es Tee und Kekse oder Kuchen.

Freizeit ist nun angesagt. Die Hockey-Mannschaft und das Basketball-Team trainieren, mittwochs gibt es Aerobic für alle, montags ist Chorprobe. Während meiner Zeit in Connemara wurde das Angebot jedoch erweitert. Es kam von da an einmal wöchentlich ein Karatelehrerteam aus Letterfrack nach Kylemore. An der ersten ‘Schnupperstunde’ nahmen ungefähr 40 Mädchen teil, beim zweiten Mal waren es noch die Hälfte und nach ca. vier Stunden waren wir nur noch vier. Anfang Dezember nahmen wir dann an einer Prüfung in Letterfrack teil, die wir mit Bravour bestanden. Wer weniger auf Sport steht, geht lieber in dem großen Gebiet um die Kylemore-Seen spazieren, schreibt Briefe oder sieht fern bzw. Videos im Recreation Room, dem Freizeit-Raum. Dort halten sich meist auch die Juniors auf.

Um 17.30 Uhr haben sich alle Internatsschülerinnen in der Study Hall einzufinden, einem großen Raum, der wie ein Klassenzimmer mit Einzeltischen aussieht. Dort werden bis zum Abendessen um 18.30 Uhr unter Aufsicht die Hausaufgaben erledigt. Keiner spricht ein Wort oder schreibt Briefe!

Nach dem Essen (warme Kleinigkeiten) ist Freizeit bis 19.30 Uhr, dann wieder study-time bis 21 Uhr. Danach üben einige noch Klavier, sehen fern oder duschen. Um 21.30 Uhr wird anhand einer Liste überprüft, ob alle da sind, dann die Haupttür abgeschlossen. Das Licht wird von einer Supervisor um 23 Uhr ausgeschaltet, ab 22.30 Uhr muss jeder in seinem Schlafsaal sein.

Samstags ist schulfrei, dafür sind aber insgesamt 3 Stunden ‘study’ angesetzt, auf den Vor- und Nachmittag verteilt. Sonntags müssen alle zur Messe, und am Nachmittag hat man noch einmal zwei Stunden zu studieren. Es können übrigens Mädchen jeder Religion nach Kylemore kommen, auch, solche, die gar keine haben.

Dieser bis aufs Letzte durchgeplante Tagesablauf war für mich am Anfang sehr ungewohnt, doch mit der Zeit gewöhnte ich mich daran und lernte die spärliche Freizeit sinnvoll zu nutzen. Die festen Lernzeiten in absoluter Ruhe taten mir ebenfalls sehr gut, wir alle steckten uns mit dem Lerneifer gegenseitig an. Besonders vor den Weihnachtsexamina Mitte Dezember, für die wir den ganzen Stoff von September an parat haben mussten, lernten wir unglaublich viel: Es hat sich gelohnt!

‘Klosterschülerinnen’

Eine verschworene Gemeinschaft

Ich muss zugeben, dass ich den Bottom Dorm, wie man den unteren Schlafsaal nennt, zunächst sehr gehasst habe. Nach einiger Zeit jedoch wurde mir klar, dass das Leben dort so manche Vorteile hat.

Zimmer der Schülerinnen Wenn die Supervisor – Oberschwester würde man vielleicht in Deutschland sagen – abends gegen elf Uhr das Licht ausgemacht hatte, ging sie exakt zwei Stockwerke höher, wo sich die Schlafräume der Betreuerinnen sowie der zweite Schlafsaal befinden. Also trennten uns zwei Treppen und drei Türen von der Aufsicht. Wir wären schön dumm gewesen das nicht auszunutzen! Schon bald gingen die Lichter um zwei Minuten nach elf wieder an und wir trafen uns im größten Raum des Schlafsaals, den meine Freundin Eleanor aus Tansania bewohnte. Dort redeten, diskutierten und lachten wir oft bis in den frühen Morgen, hörten leise Musik oder malten und bastelten Geburtstagsplakate für andere, die wir mitunter noch nachts oben aufhingen! In der Zeit vor den Weihnachtsexamina holten wir uns Tische in den Schlafsaal, damit wir nachts besser arbeiten konnten. So saßen wir dort oft bis ein Uhr morgens und lernten Biologie, Mathematik und all den anderen Stoff. Doch vor allem hatten wir dort unten sehr viel Spaß, und wir sieben Mädchen aus sechs verschiedenen Ländern (Mexiko, Spanien, Tansania, Österreich, Irland und Deutschland) wurden sozusagen über Nacht eine verschworene Gemeinschaft. Ich weiß, dass die Mädchen aus dem oberen Schlafsaal im Nachhinein alles gegeben hätten unten wohnen zu dürfen.

 
Die diebische Elster

Einmal in der Woche wurde eine Versammlung der Internatsschülerinnen, eine Assembly, einberufen, in der Sr. Anna oft ermahnen und mitunter auch regelwidriges Verhalten bestrafen musste. Einen dieser Abende werde ich wohl nie vergessen:

Mit ernster Miene wurde von den Supervisors bekannt gegeben, dass sich alle in der Senior Study Hall einzufinden hätten. Als wir uns dichtgedrängt auf Stühlen, Tischen und an die Wände gelehnt im Raum versammelt hatten, kam wutentbrannt Sr. Anna hereingestürzt. Sie glich einer Furie, mit ihrem roten Kopf und den harten Gesichtszügen, die sie immer dann bekam, wenn sie wirklich erbost war. Ohne uns zu begrüßen begann sie mit bebender Stimme zu berichten, was sich zugetragen hatte.

Sr. Karol, die sehr beliebte und lustige Nonne, die für alles Musikalische in der Schule zuständig ist, besitzt ein kleines Zimmer im Untergeschoss, in dem sie Notenmaterial, CDs und einige private Dinge aufbewahrt. Außerdem befindet sich dort ein Klavier. Weil oft alle anderen Klaviere in Gebrauch sind, lässt sie die Tür nachmittags manchmal offen stehen, damit ihre Schülerinnen die Möglichkeit zum Üben haben. Aus diesem Zimmer war in der letzten Woche eine größere Anzahl Briefmarken verschwunden. Die gute Sr. Karol hatte den Diebstahl zunächst aus dem Glauben heraus nicht gemeldet, die Diebin habe die Marken dringend gebraucht. Als jedoch ein paar Tage später eine große Summe Geld aus ihrem Schreibtisch verschwand, informierte sie sowohl die Direktorin als auch die Äbtissin.

Nun war es Sr. Annas Aufgabe herauszufinden, wer von uns das Geld an sich genommen hatte. Zunächst einmal waren alle geschockt, denn Sr. Karol war sehr beliebt und niemand konnte sich vorstellen, wer so etwas getan haben könnte. Dann wurden einige Mädchen wütend und argumentierten zu Recht, dass auch eine der Tagesschülerinnen die Sachen hätte stehlen können, doch dieser Einwand stieß auf taube Ohren.

Natürlich meldete sich in den nächsten Minuten niemand, der zugab, gestohlen zu haben; also beschloss Sr. Anna, dass die sieben Abschlussklässlerinnen zusammen mit jeweils einer Supervisor oder einer anderen Erwachsenen die Schlafräume der Abbey durchsuchen sollten. Während dies geschah, mussten wir übrigen Mädchen in der Study Hall bleiben. Wir warteten immer noch unter Schocks stehend ca. 45 Minuten. Mir kamen die Minuten wie Stunden vor und ich schwankte zwischen Mitleid für meine Lieblingslehrerin Sr. Karol und Wut auf die Schulleitung, die sich anmaßte einfach alle Räume zu durchsuchen.

Das Geld wurde nicht gefunden, und mit einer dringenden Bitte an die Diebin es zurückzugeben wurden wir ins Bett geschickt. Falls es nicht auftauche, so wurde uns angedroht, gäbe es in der nächsten Zeit kein Fernsehen, kein Video sowie keinen Tuck Shop (ein Kiosk, an dem sich besonders die Juniors mit Süßigkeiten eindeckten).

Am nächsten Morgen war die Stimmung so gedrückt, wie ich sie in Kylemore nur dieses eine Mal erlebt habe. Alle tuschelten, spekulierten und verdächtigten sich gegenseitig – es war einfach furchtbar! Sr. Anna kam zum Frühstück (die Nonnen essen in einem anderen Saal) und berichtete, dass sich noch niemand gemeldet habe. Sie fügte hinzu, dass die Betroffene sich auch an andere Nonnen, Lehrer oder Supervisor wenden könne um das Geld zurückzugeben.

Der Schulvormittag verlief wie immer, doch als wir zum Mittagessen den Speisesaal betraten, lag an jedem Platz ein Schokoriegel. Erst waren wir nur erstaunt und keiner wusste, woher die Süßigkeiten kamen. Doch dann betrat Sr. Anna den Raum und verkündete freudestrahlend die Neuigkeiten: Im Laufe des Vormittags hatte sich die diebische Elster gemeldet, bei Sr. Karol entschuldigt und das fehlende Geld sowie die Briefmarken zurückgegeben! Das hatte die Äbtissin Mother Clare so gefreut, dass sie für jedes Mädchen einen Schokoriegel spendiert hatte.

Über die Identität der betroffenen Schülerin wurde noch spekuliert, bis ich zu Weihnachten nach Hause fuhr, doch niemand fand sie je heraus – was auch bestimmt besser war.

 
Eine Expedition um Lough Pollacappul

Mich hat die Natur in Connemara jeden Tag aufs Neue beeindruckt, ich konnte mich am Anblick der Twelve Bens einfach nicht satt sehen! Auch der See faszinierte mich unheimlich, egal ob im strahlenden Sonnenschein, wenn der Regen auf ihn niederpeitschte oder wenn er im Vollmondschein glitzerte. Ungefähr eine Woche, bevor ich den Heimweg antreten musste, also etwa Anfang Dezember, beschlossen acht Freundinnen und ich etwas zu tun, was noch keiner vor uns gewagt hatte: Wir wollten einmal um den See laufen.

Direkt vor der Abbey liegt Lough Pollacappul. Wer schon einmal in Kylemore war, wird sich vielleicht daran erinnern, dass sich auf der Abbeyseite gut befestigte Gehwege befinden, der See auf der anderen Seite jedoch von dichtem Wald begrenzt ist. Das also war unsere Herausforderung, wobei es zudem verboten war das Schulgelände ohne Erlaubnis zu verlassen – doch ob wir es überhaupt verlassen haben, weiß ich nicht. Wir machten uns also eines Nachmittags auf den Weg, gingen am Restaurant und Craftshop vorbei über den seitlichen kleinen Parkplatz und waren schon am Seeufer. Nun galt es, sich einen Weg durch die Rhododendren-Büsche und einen Wald zu bahnen, der meiner Meinung nach eher einem Regenwald glich als dem Wald, den ich erwartet hatte! Nun ja, wenn man bedenkt, wie oft es in Kylemore regnet, ist ‘Regenwald’ durchaus eine treffende Bezeichnung. Das Gelände war extrem rutschig, wir mussten über Baumstämme und unter tiefe Ästen hindurch klettern und fühlten uns wie auf einer Urwald-Expedition. Plötzlich jedoch ging es einfach nicht weiter, die Zweige der dichten Büsche ragten bis auf den See hinaus. Wir standen am Ufer, sahen uns gegenüber die Schule und hofften inständig, dass Sr. Anna uns nicht erblickte! Es waren nur ca. 10 Meter Luftlinie bis zur steinernen Brücke, und so trafen wir sehr bald eine Entscheidung: Vier zogen ihre Schuhe aus und trugen die anderen huckepack durch das ungefähr 20 cm hohe Wasser. Ich muss zugeben, dass auch ich getragen wurde, was jedoch auch nahe lag, weil ich nach Lisa aus dem 1st year die Kleinste auf unserer Mini-Expedition war! Alles in allem war es sehr lustig und keiner sah uns: Glück gehabt!

Ausflüge in die Umgebung

Als außerschulische Aktivitäten werden Fahrten zum Schwimmbad ins ca. 15 km entfernte Clifden angeboten, ein Ort, der sich mit seinen gut 1200 Einwohnern stolz die Hauptstadt Connemaras nennt. In regelmäßigen Abständen (ca. alle sechs Wochen) kann man in die 100 km entfernte Universitätsstadt Galway fahren, die mit etwa 55.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der Republik Irland ist. Ungefähr genauso oft gibt es die Möglichkeit an einem Outdoor-Tag teilzunehmen. Man fährt dabei mit 13–14 Leuten in ein winziges Outdoor-Zentrum irgendwo in der Wildnis und kann dort den halben Tag lang reiten und die andere Hälfte des Tages Kajak fahren. Meine Erinnerungen an diese Tage in der wunderschönen Landschaft Connemaras gehören zu den schönsten überhaupt.

Meine einwöchigen Herbstferien, den sogenannte ‘Halloween Break’, verbrachte ich mit drei Mitschülerinnen bei einer Gastfamilie in Galway. Die Schule vermittelt Familien in Dublin und Galway, die aber extra bezahlt werden müssen. Die irischen Schülerinnen und manchmal auch die aus dem europäischen Ausland fahren nach Hause.

Abschied von Kylemore

Zu Beginn der Weihnachtsferien, als wir die Examina hinter uns hatten, hieß es dann für mich Abschied zu nehmen von den Freundinnen und Connemara. Wie man sich denken kann, fiel mir das schwerer, als den Schulalltag hinter mir zu lassen! Dennoch freute ich mich auf meine Familie und meine Freunde zu Hause.

Alles in allem war dieser Aufenthalt für mich eine tolle Erfahrung, auch wenn vieles so anders als in Deutschland war und das Internatsleben auch seine Schattenseiten hat, vor allem die vielen Regeln und festen Zeiten. Von schulischen Dingen abgesehen, lernte ich auch, wie es ist, mit vielen anderen Menschen aus verschiedenen Ländern unter einem Dach zu wohnen und Konflikte, die zwangsläufig entstehen, wenn Kulturen aufeinanderprallen, zu lösen. Noch heute habe ich intensiven Kontakt zu meinen besten Freundinnen aus dem Internat, die, so wie ich, wieder zu Hause sind, doch nicht in Deutschland, sondern in Kanada, Österreich und Tansania.

Für den Sommer 2000 planen wir ein Wiedersehen in Irland, denn wir alle sind uns einig: Dort waren wir nicht zum letzten Mal! Und wer weiß, vielleicht setze ich dann meinen Bericht an dieser Stelle fort.

Katharina Althaus, genannt Katta

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© 1999 Katharina Althaus und Jürgen Kullmann