Pigi’s kleine Geschichten

von Marie Louise Lagger

<      >

 
Eine irische Totenwache

Er wohnte 35 Jahre lang in einem 200 Jahre alten Cottage direkt am Meer. Er war sehr beliebt in Westport, er war eine Legende. Mit Nelly, seinem Hund, und Bonnet, seiner Katze, lebte er umringt von rostigen Motoren und Rasenmähern glücklich und zufrieden auf einer Halbinsel in der Clew Bay, und jeder, der das Glück hatte ihn zu kennen, war sehr traurig, als er starb. Er war ein Mensch, der immer für alle da war. All die Jahre war seine Haustüre unverschlossen gewesen. Kam jemand nach Westport und wusste nicht wohin, fand er bei ihm eine offene Tür. Seine Partys waren weitum bekannt, und wenn er zu einer lud, ließen seine Freunde alles stehen und liegen und strömten in Scharen in sein Haus. Stets lag ein Schmunzeln um seine Lippen und ein schelmisches Zwinkern in seinen Augen.

Am Tag nach seinem Tod wurde nach alter Sitte der Sarg in sein Haus gebracht und geöffnet. Man hatte ihm ein Blumensträußchen in die Hände gelegt. Bald strömten an die hundert Menschen herbei, brachten Blumen, Getränke und Speisen mit. Es wurden Geschichten über ihn erzählt. Am Kamin hing ein Foto, auf dem er mit erhobenem Pint allen zuprostete. Man lachte, weinte, aß und trank. Nach und nach trafen Westports Musiker ein, um von ihm Abschied zu nehmen. Sie setzten sich um den offenen Sarg und nach draußen in die alte Werkstatt, packten ihre Instrumente aus und begannen zu singen und zu spielen. Manchmal war die Stimmung recht ausgelassen, um danach wieder in Stille zu versinken. Es wurde getanzt, und dann schwieg man wieder. Er schien in seinem Sarg zu lächeln. Von nah und fern waren seine Freunde gekommen und gaben ihm zum Abschied eine Party, ganz so, wie er sie zu Lebzeiten zu seinen Partys eingeladen hatte – ein Kommen und Gehen ohne Ende, und das vierundzwanzig Stunden lang.

Paul Guilfoyle, Clew BayAm nächsten Tag fand der Abdankungsgottesdienst statt, der sehr still ausgerichtet war. Zerbrechliche Gedichte, ein feines Violinspiel, ein klassisches Lied und einige lustige Anekdoten aus seinem Leben wurden vorgetragen. Als der Sarg aus der Kirche getragen wurde, standen alle auf und gaben ihm eine stehende Ovation. Ein spontaner, frenetischer Applaus erfüllte die Kirche. Anschließend versammelte man sich in einem Pub, und es wurde getanzt und gesungen, was das Zeug hielt.

An seinem Geburtstag, es war ein düsterer Novembernachmittag, wurde seine Asche in die Clew Bay gestreut. Der Himmel weinte bitterlich. Schwarze Wolken hingen tief und drohend am Firmament, und ein rauer Wind trug die Asche davon. Ein einsamer Piper stand am Meer und sandte die Wünsche und Fragen mit schönen Klängen auf den weiten Atlantik hinaus. Seine Freunde standen schweigend da, durchnässt und frierend, und flüsterten ein leises Good Bye my Friend and God Bless.

Was für ein Abschied.

 
top down


© 2009 Marie Louise Lagger / Lektorat JK