Irisches Tagebuch 2012

Als Sligo ins Wasser fiel

 

Sonntag, 27. Mai 2012

Nach zwanzig Jahren in Irland frühstücken wir zum ersten Mal im Freien. Hinter dem Cottage, da wo die Sonne vor zwei Stunden aufgegangen ist, doch auch jetzt noch ist der Tag frisch und unverbraucht. In hohen Gummistiefeln stapft Brian vorbei: “Welcome back!”. Er hat seinen Laden aufgegeben, erzählt er, ehe ich danach fragen kann. Keine Frühstückszeitung mehr bei ihm, schade! Im tiefsten Herzen war er schon immer mehr Cattle Farmer als Kaufmann, und doch geht mit ihm nun ein Stück Dorfleben und eine Familientradition zu Ende. Ein Stück altes Irland entschwindet. Sein Vater war noch der bedeutendste Kaufmann an diesem Weltenende, vom Pfund Zucker über einen Sack Kohlen bis zum Traktor gab es nichts, was Paddy Coyne nicht führte oder nicht besorgen konnte. Als Laden- und Pubbesitzer, Fischaufkäufer und Bestatter herrschte er in einem Reich, das sich von Kylemore Abbey bis Renvyle Head erstreckte, bis das Geschäft nach seinem Tod unter drei Söhnen aufgeteilt wurde – einer den Pub, einer den Laden und einer das Bestattungsunternehmen. Mit dem Gemeindepriester Father Edward Tuffy hatte er um Touristen ins Dorf zu bringen eine Genossenschaft zum Bau der Renvyle Thatched Cottages initiiert und dazu sein Land gegenüber von Laden und Pub zu Verfügung gestellt.

Das Frühstück wartet, auf einem Biergartentisch, der auf der Wiese hinter eben diesen Cottages steht. Aus dem offenen Fenster in unserem Rücken klingt Christy Moores Ride On, irgendwo in den Weiden und Hügeln vor uns verrät ein Kuckuck, dass der Sommer Einzug gehalten hat. Seit drei Tagen, ergänzt Anne Jack, die vorbeikommt, um bei zwei Nachbarcottages, deren Mieter in der Früh ausgezogen sind, nach dem Rechten zu sehen.

Schon als wir gestern aus dem Flugzeug stiegen, hatte uns der Sommer willkommen geheißen. 24 °C Außentemperatur zeigte das Thermometer des Leihwagens in Dublin an, 27 °C als wir nach zwei Stunden in Galway bei Lidl vorfuhren. Angenehm kühl war es im Laden, wir dankten es mit 122 Euro. Kurz nach fünf waren wir in Tully Cross und nahmen das Cottage in Beschlag. Die gleiche Prozedur wie immer: Reisetaschen vom Dachboden hieven und dann folgte die Umwandlung eines schnöden allgemeinen Touristencottage in ein PC (Personal Cottage), eine Transformation, die etwa anderthalb Stunden in Anspruch nahm – inklusive dem Abwasch diverser Küchenutensilien, die sich etwas klebrig anfassten. Die Mieter nach uns sind wahrhaft zu beneiden! Doch wir wollen nicht klagen, denn immerhin erhalten wir 20 % Rabatt, ein Prozent für jedes Jahr, in dem wir das Cottage angemietet hatten.

Es folgte ein lauer Sommerabend, und so fand das erste Abendessen des Urlaubs vor dem Cottage statt. Gefördert dadurch, dass dort jetzt ein Tisch mit Bänken steht, auf dem wir aus dem Lidl-Einkauf Brot, Butter, Käse und zwei Guinnessdosen auspackten. Aus den Dosen mit der Klackerkugel schmeckt das schwarze Stärkungsmittel nach zwei Stunden im Kühlschrank wie gezapft. Und weil die Midges von unserer Ankunft noch nichts mitbekommen hatten, folgte den zwei pint of plain eine Flasche Wein. Aus der Fahrt nach Letterfrack, wo Frank und Kieran Sonnabends in Molly’s Bar aufzutreten pflegen, wurde dann nichts mehr.

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Renvyle-Halbinsel, Irland, Connemara, © 2011 Juergen KullmannDoch nun ist Sonntag. Nach einem Einkauf in Letterfrack (drei Weingläser, zwei Glühbirnen, Spülmittel, Guinness Cake und der Irish Sunday Independent) sind wir am Renvyle Strand. Familientag am Meer, eine Dreijährige wird von ihrem Vater in die Kunst des Surfens eingeführt. Ein paar Meter schafft sie schon auf dem Brett, ehe sie ins Wasser fällt. Derweil bewerfen sich ihre älteren Brüder mit nassem Sand und mien Deern kreiert im trockenen ein Kunstwerk aus bunten Muscheln, das mit dem Tag heute vor 25 Jahren zusammenhängt. Überwiegend Väter sieht man mit ihren Sprösslingen im Wasser, während die Mütter die Stellung an Land halten und das Treiben beobachten. Laut Sunday Independent liegen die Wassertemperaturen an der Westküste bei 12 °C. Dem Familienhund reicht das nicht, japsend trottet er nach einem ersten Versuch an Land, schüttelt sich und observiert verständnislos das Treiben seiner Herrschaft im Wasser.

Ein Familientag ist auch bei den Kühen angesagt, die sich, wenngleich ohne die Väter, auf der Weide oberhalb der Felsen versammeln. Eine der Kuh-Mütter betrachtet sichtlich interessiert doch am Ende den Kopf schüttelnd das Treiben der menschlichen Rasse, die übrigen liegen mit ihren Kälbchen im Gras und machen auf Lazy Sunday Afternoon. Wir wollen sie nicht stören und fahren ins Cottage zurück, wo mien Deern die beste Nudelsauce produziert, die je in Irland gekocht wurde. Dass die Grundlage dazu aus einem Glas von Lidl stammt, behalten wir für uns.

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Es wird Nacht in Tully Cross. Gerard, dem jüngsten Sohn des seligen Paddy Coyne, der seit vergangenem Jahr abends auch Barfood in seinem Pub anbietet, sind die Muscheln ausgegangen. Zwei Häuser weiter spielen John Henry und Michael George im Angler’s Rest, da unsere Haus-und-Hof-Musiker auf Verwandtenbesuch im County Tyrone weilen. An der Bar lernen wir John Henrys girl friend 2012 kennen, von hinter der Bar wünscht uns eine Eileen ein welcome back. Keine Ahnung, wer sie ist und woher sie uns kennt.

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Montag, 28. Mai 2012

ntgegen der Vorhersage des irischen Wetterdienstes begrüßt uns der Tag mit Sonne, so dass wir erneut auf der Wiese hinter unserem Cottage frühstücken, vor uns der Kahle Blanke*, der über die Renvyle Bay hinweg den Zugang zur Grafschaft Mayo bewacht. Der Versuch, an der Tankstelle von Tully eine Zeitung zu bekommen, war zuvor gescheitert.

Nach dem Frühstück geht es zum Strand von Glassilaun, der so schwer zu fotografieren ist. Bei Einsatz eines starken Weitwinkelobjektivs, das seine ganze Ausdehnung erfasst, entschwinden die kleinen Inseln und Berge jenseits der Bucht in der Ferne, und holt man sie mit anderen Brennweiten näher heran, ist nichts mehr von der Weite des Strandes und Unendlichkeit des Himmels zu spüren. “Wahre Schönheit ist eben nicht fotografierbar”, meint mien Deern.

Gather up the pots and the old tin cans
The mash, the corn, the barley and the bran.
Run like the devil from the excise man
In the Hills of Connemara.

Am Glassilaun Strand, © 2012 Juergen Kullmann“Hello!” Eine Frau marschiert an uns vorbei, in einem Tempo, als müsse sie ihre Poitín-Destille vor einer Razzia der anrückenden Garda Schickana in Sicherheit bringen. “Das war doch John Henrys neue Flamme”, sagt mien Deern, “die Frau, die gestern Abend an der Bar stand. Hab’ sie an der Tätowierung auf dem Oberarm erkannt.”

“Hellow”, dieses Mal in tieferer Tonlage. Excise Man John Henry, das weiße Haar unter einem braunen Lederhut verborgen, stapft an uns vorbei. Aber die Schwarzbrennerin ist gut in Form und hält ihn auf Distanz, bis am Rande der westlichen Welt kein Entkommen mehr für sie ist und sie sich auf einer Felsplatte am Wasser niederlassen. Wir halten Abstand von ihrer Niederlassung und suchen ein anderes Plätzchen an diesem Gestade. Am Nachmittag verdüstert sich der Himmel.

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Nach dem Abendessen klart es auf, und die Twelve Bens leuchten in der Sonne. Wir sind auf dem Weg zum Pebble Strand. “Back home in holidays?” Eine junge Frau kommt uns mit einem Kinderwagen entgegen. Sie weiß mehr über uns als wir über sie.

Am Pebble Beach, © 2012 Juergen KullmannEs ist Ebbe, doch das Wasser steigt schon wieder, in steten Schüben, als ob am anderen Ende der Welt Neptun im Takt einen Schieber öffnet und wieder schließt. Bei jedem Öffnen rollen die Wellen ein paar Zentimeter näher an unsere Füße, um sich bis zum nächsten Schub wieder ein Stück zurückzuziehen. Halbrechts voraus erheben sich die kahlen, blanken Berge Mayos aus dem Meer, allen voran der Maol Réidh, und in der Ferne ist der Croagh Patrick auszumachen. Noch ragen kleine, flache Felsen aus dem Wasser, für die Riesen in grauer Vorzeit Trittstufen um nach Mayo überzusetzen. Weit im Westen nähert sich die Sonne langsam dem Horizont.

* Deutsche Übersetzung des Bergnamens Maol Réidh.

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Dienstag, 29. Mai 2012

Nachdem wir zum dritten Mal in Folge im Freien hinter dem Cottage gefrühstückt haben, bummeln wir durch Clifden. “Very quite” würde Johnnie sagen, nach dem erhofften Touristenboom sieht das nun wahrlich nicht aus. Außer ein paar Lebensmitteln erwerben wir nichts. Lunch? Öd und leer das Derryclare Restaurant, und auch die Speisekarte reizt nicht, durch die Tür zu gehen. Wo sind die phantasievollen ‘Lunch Specials’ vom letzten Jahr geblieben?

Wir wandern ins Mitchell’s. Scampis of Cod für mich, seit Jahren sind diese ‘Scampis vom Kabeljau’ bewährt und gut. In Knoblauchbutter gebratene Crab Claws för mien Deern, die zwar nicht auf der Speisekarte stehen, es auf ihr Nachhaken aber dennoch gibt. Der Geruch von einem Nachbartisch hatte sie fragen lassen.

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Am Nachmittag graut der Himmel zu, doch ist es noch warm genug, um vor dem Cottage zu sitzen und das Dorfleben zu beobachten. Wer geht in welchen Pub, wer kommt heraus? Die Cottage-Katze streunt vorbei und miaut. Heute Morgen hatte sie unsere Parmesan-Rinde, die letztes Jahr noch ein Hochgenuss für sie gewesen war, empört protestierend zurückgewiesen. Da soll sie uns jetzt nicht so kläglich anmachen!

Ein Familienstreit zweier Cottage-Untermieter lenkt sie von uns ab. Unter dem Reetdach schießt ein Sperlingspärchen hervor, die (vermutlich) Dame ihren Lover folgend, der über die Straße in Richtung Paddy Coyne’s Pub flüchtet. Worauf sie umkehrt, etwa zwei Meter von ihrem Nest auf einem Holzpfosten landet und eine viertel Stunde lang ihrem wie auch immer gearteten Ärger Luft macht. Ein zweites Sperlingspaar hat sich auf der Rückseite des Cottage in einem Loch im Reet unter der Dachkante eingemietet. Dort scheint es friedlicher zuzugehen.

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Sonnenuntergang am Meer hinter dem Renvyle House, auch König Lirs zu Schwänen verzauberten Kinder genießen die friedliche Stimmung an dem kleinen See auf dem Grün, weit weg von der bösen Stiefmutter. Und taucht da im Dunst hinter der untergehenden Sonne nicht eine Insel aus dem Meer auf?

Am Renvyle House, © 2012 Juergen Kullmann Renvyle Bay, © 2012 Juergen Kullmann

Tír na nÓg? Wenn jetzt noch Niamh auf ihrem weißen Pferd übers Wasser geritten kommt, ist die Ewige Jugend ganz nah.

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Mittwoch, 30. Mai 2012

in grauer Morgen. Zum ersten Mal seit unserer Ankunft frühstücken wir im Cottage. Der Versuch eine Frühstückszeitung zu organisieren, war zuvor gescheitert: um Viertel nach neun war der Zeitungsmann noch nicht bis zum Tankstellenladen von Tully durchgedrungen.

Vorbei am Loch Muc und Loch Fidh fahren wir nach Leenaun. Die ehemals graue ‘Neue Kirche’ von Salrock leuchtet weiß im neuen Glanz, auch wenn sie nun ein Feriendomizil betuchter Angler ist, die man am Zufluss zum See ihre Rute auswerfen sieht. 2008 war sie profanisiert worden. Seither müssen die Salrocker, wollen sie einen Gottesdienst besuchen, ins zehn Kilometer entfernte Tully Cross.

Joyce Country, © 2012 Juergen KullmannIn Leenaun stellen wir das Auto am Sheep & Wool Centre ab und wandern hinter der Brücke am Ortsausgang zum Joyce Country nach rechts in die Berge. ‘No Dogs allowed’ steht auf dem Gatter, das wir unbeholfen über- bzw. unterklettern. “Sind das zwei Hunde?” mähen zwei Jungschafe von ihrem sicheren Felssockel neugierig auf uns herabblickend ihrer abseits grasenden Mutter zu. “Oder Wölfe?” “Nöööh”, blökt diese im tiefen Ton zurück, “das sind Menschen, doch solltet ihr auch denen nicht trauen, solange ihr keine zähen, alten Hammel seid.”

Entlang eines Flüsschens geht es bergan in Richtung eines Wasserfalls, den man in der Ferne rauschen hört. Wie steil der Weg ist, merken wir erst, als wir uns umdrehen und auf einen Tafelberg hinabblicken dessen Flanke wir vor einer halben Stunde passiert hatten. Kein Wunder, dass unter Jacke, Pullover, Flanellhemd und T-Shirt der Schweiß nur so rinnt. Bei einem Picknick mit ein paar Keksen unterhalb des Wasserfalls entferne ich zwei Bekleidungsebenen.

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Wir sind aus Leenaun zurück, nicht ohne vor dem Sheep & Wool Centre einer zwei Jahrzehnte langen Tradition folgend Lemon Cheese Cake genossen zu haben. Home made, wie man betont, und so gut wie ehedem, auch wenn der langjährige Betreiber Michael O’Toole in den Ruhestand gegangen ist. Der Blick auf den Killary Fjord setzte dem Cheese Cake die Sahne aufs Häuptchen.

Vor unserem Cottage mit Blick auf die Dorfstraße und zwei Pubs geht es weiter mit Crab Meat und Hildegards Kartoffelsalat. Dazu nehme man einen Topf Eiersalat aus dem SuperValu, füge Pellkartoffeln (orangic), Frühlingszwiebeln, eine halbe, gewürfelte Paprika, gewürfelte Tomaten und ein vom Frühstück übrig gebliebenes gekochtes und zerhacktes Ei hinzu und runde die Sache mit sauren Gurken, Remoulade aus der Tube, etwas Senf und Creme Fraîche ab. Als weitere Beilage ein aufgebackenes Baguette.

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Joyce Country, © 2012 Juergen KullmannAm Abend das erste Pint im Paddy Coyne’s, das erste bei Patrick Sammon nebenan hatten wir ja schon. Wir sitzen unter dem Fenster im vorderen Teil der Bar, an der Theke zwei ortsbekannte Pubgänger. “Gib mir mal das Heft und den Bleistift!” Ich reiche meinem Mädchen das Gewünschte und sie versucht, die Szene mit ein paar Strichen festzuhalten. Das ist gar nicht so einfach, denn der erste der beiden steht halb verdeckt in einer Nische und der andere macht sich von dannen, noch ehe sie sein Gesicht in Angriff genommen hat. Doch was soll’s, in einem Pub gibt es genügend weitere Gesichter zum Aufsetzen auf die Gestalt – und sei es eines, das man selbst mitgebracht hat.

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Donnerstag, 31. Mai 2012

STheaterplakatchneller als gedacht machen wir in diesem Jahr unseren ersten Ausflug nach Galway. Wegen der Kultur. Denn am Dienstag erspähte mien Deern im Clifdener Tourist Office einen Hinweis auf eine Aufführung des Druid Theatre mit dem ersten Teil der Trilogie Famine (Hungersnot und Auswanderung) – A Whistle in the Dark (Entwurzelt in der Fremde) – Conversations on a Homecoming (Heimkehr zur Zeit des keltischen Tigers) von Tom Murphy. Heute ist die Hungersnot angesagt, die Grundlage zum Überleben legen wir im Tamarind Restaurant am Spanischen Torbogen.

Referendum 2012 in Galway, © 2012 Juergen KullmannDie Stunden bis zur Vorstellung verbummeln wir in der Stadt, erwerben ein paar Dinge zur Verschönerung meines Mädchens und stocken bei Lidl unseren Weinvorrat auf. Wer einen irischen Pass hat, darf heute über den EU-Stabilitätspakt abstimmen. Die Sinn Féin und die Vereinigte Linke, zu der die Labour Party nicht gehört, befürchten einen Verlust der irischen Souveränität sowie von der EU erzwungene Einsparungen bei den Sozialleistungen und opponieren gegen den Vertrag. Ihre Vote No! Plakate bestimmen das Stadtbild. Trotz allem geht man davon aus, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung dem Abkommen zustimmt, denn die düsteren Andeutungen der Regierung, dem Land könne bei einer Ablehnung der Geldhahn der EU zugedreht werden, scheinen nach den letzten Umfragen Früchte zu tragen. Nicht noch eine Hungersnot!

Die heutige beginnt im Galwayer Town Hall Theatre um 8 p.m. Die Teilnahme an ihr ist freiwillig, im Jahr 1845 wurde man nicht gefragt. Ob das mit den telefonisch bestellten Tickets geklappt hat, oder ist das Geld abgebucht und im Theater weiß man von nichts? Erleichterung, die Karten liegen mit einer leicht modifizierten Schreibweise unserer Namen an der Kasse. Zusammen fünfundvierzig Euro hat uns die Teilnahme an der Hungersnot gekostet, die Anreise nicht mitgerechnet.

Und so begeben wir uns in das Jahr 1846, wo im Dorf Glanconnor in der Grafschaft Mayo gerade zum zweiten Mal in Folge die Kartoffelernte ausgefallen ist, hungern uns mit dem Familien- und Dorfoberhaupt John Connor knapp drei Stunden lang durch die irische Geschichte, begraben ein kleines Kind und erschießen einen alles in allem gar nicht so unsympathischen englischen Landlord.

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Freitag, 1. Juni 2012

Der Himmel ist ausdruckslos grau, als wir das Cottage verlassen. Fünfhundert Meter links vom Renvyle Kai badet mein Mädchen ihre von Mücken zerstochenen Füße in der kühl und salzig auflaufenden Flut, die sich daran macht, die kleine Sandfläche für das Meer zurückzuerobern. Wir ziehen uns auf eine aus dem Sand ragende Felsformation zurück, mien Deern mit einem Skizzenblock und ich mit Tagebuch und Bleistift. Ein lonesome boatman rudert von Crump Island kommend an uns vorbei, was er in seinem Boot hat, ist nicht zu erkennen.

Renvyle Quay, © 2012 Juergen KullmannDas Meer hat den kleinen Sandstrand umspült. Ehe es uns den Rückweg abschneidet, verlassen wir die Felsenfestung und setzen unseren Weg am Kai vorbei fort, den ‘Rentnerweg’ wie ihn einige hier nennen. Ein Trupp Jugendlicher hat sich die Spitze der in die Bucht ragenden Mole für ihren Badespaß ausgesucht; die Mutigsten klettern auf das massive Bollwerk aus grau-braunen Steinquadern und springen ins Wasser.

Der Anleger liegt hinter uns. Wir marschieren landeinwärts auf Tully zu, vorbei an einer Farm, deren Namen ich von Jahr zu Jahr immer wieder vergesse und doch nur schwer zu passieren ist ohne zur Kamera zu greifen, auch wenn schon manch ein Foto von ihr im Archiv liegt. Ein paar hundert Yards weiter beobachten wir auf einer Weide ein übermütiges schwarzes Fohlen, ein junger Hengst, und nicht weit davon ein Pferde-Liebespaar. Am Rape Hill, hier in der Bedeutung von Rapshügel, stoßen wir auf die Straße zu unserem Cottage zurück.

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Wanderer! Wer immer dir erzählt, er habe in Dublin, Cork, Galway oder Belfast das beste ‘Irish Lamb Stew Irlands’ genossen, kennt das Irish Lamb Stew nicht, dass die Mieterin von Cot. No. 1 in Tully Cross auf der Renvyle-Halbinsel heute Abend zubereitet hat.

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Weitere Reiseberichte


Reiseberichte Irland: Connemara 2012
© 2013 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 16.09.14