Irisches Tagebuch 2013

Warten auf die Kreativität

 

Sonnabend, 15. Juni 2013

Unser erster, vielleicht auch einziger Ausflug nach Galway in diesem Jahr. Die Wetterfrösche von Met Éireann Lügen strafend regnet es nicht.

Frisch gefangene Feen, © 2013 Juergen KullmannDen Bummel über den Samstagsmarkt rund um die Sankt Nicholaskirche sollte sich kein Besucher entgehen lassen: frisch gefangene Feen stehen heute für nur zehn Euro das Stück zum Verkauf, ein unschlagbares Sonderangebot, meint der Händler. Wir halten das allerdings für keine gute Idee, wissen wir doch aus der einschlägigen Literatur, dass verärgerte Feen sehr unangenehm werden können. So kaufen wir lieber ein Stück Bio-Ziegenfeta.

Straßenmusiker in Galway, © 2013 Juergen KullmannDie Zielvereinbarung ist erfüllt. Nach dreistündigem Stöbern in einem Dutzend Läden findet mien Deern im Style Room ein Geschenk für Tante Regina, die in Kürze achtzig wird: Einen Pullover made in Ireland sowie den dazu passenden Schal made in Italy aus der Dependance von T.K. MAXX. Ein Schal made in Ireland hätte bei Ryans mehr als der ganze Pullover gekostet, und ein Secondhand-Schal von Enable Ireland sollte es bei einem Geburtstagsgeschenk dann doch nicht sein. Ich drücke mich derweilen vor jeglichen Shopping-Aktivitäten und fotografiere schüchtern aus größerer Entfernung einige Straßenmusiker.

Das Tamarind Restaurant vor dem Spanischen Torbogen ist geschlossen, ob wegen Geschäftsaufgabe oder Refurbishment lässt sich bei einem Blick durch die Fenster nicht ermitteln. So speisen wir statt mit asiatischen mit nordafrikanischem Einschlag im Café des Galway City Museum. Auch sehr lecker!

Nach dem Essen wandern wir über die Brücke an der ehemaligen (sie scheint nicht mehr genutzt zu werden) Claddagh Hall vorbei durch den South Park zum Damm nach Mutton Island. Nach hundert Metern auf dem Damm macht mir mien Deern klar, dass es uns zu stürmisch wird. Wir hatten den Wettergott um eine leichte Brise zum Vertreiben der Midges angefleht, doch die zwölf gefühlten Windstärken, die er daraus gemacht hat, sind arg überdimensioniert. Kein Leuchtturmfoto also, wir kehren um.

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Sonntag, 16. Juni 2013

Hildegard an Lola – Brief aus Irland

Liebe Lola — Leider hatte ich es vor unserem Urlaub nicht geschafft, dich zurückzurufen. Wir hatten einfach zu viel um die Ohren, daher erst jetzt viele Grüße aus dem schönen Irland, speziell Connemara. Das Wetter ist wie üblich: mal scheint die Sonne, mal regnet es, und heute ist es eher grau.

Wir sind jetzt seit einer Woche hier und haben den Eindruck, dass es in diesem Jahr besonders viele Deutsche nach Irland getrieben hat, die sich dadurch zu erkennen geben, dass sie sich in den Restaurants und auf den Straßen in ihrer Muttersprache und mit der Kassiererin im Supermarkt in einem ähnlich grausigen Englisch wie wir unterhalten.

Gestern Abend trafen wir in Letterfrack in Molly’s Bar zwei junge deutsche Mädchen. Die eine kam aus Bremen, die andere aus Sachsen-Anhalt. Die aus Bremen ist als Au-Pair hier. Sie wohnt on the countryside und ist nicht sehr glücklich darüber. Es gibt keinen Bus in die nächste Stadt, für’s Fahrrad ist die Gegend zu bergig und zum Laufen sind die Entfernungen zu groß. So bleibt ihr nur der Spaziergang mit den beiden kleinen Kindern, die sie zu hüten hat, zum See hinunter. Wenn sie abends unter andere Menschen will, ist sie darauf angewiesen, dass ihre Gasteltern sie nach Letterfrack oder Clifden fahren und muss dann nachts mit dem Taxi zurück. Das ist sehr teuer! Achte bei deinem geplanten Schulhalbjahr in Schweden nur ja darauf, dass du dort nicht auch an ein Ende der Welt landest. Wenn dann dein Schulbus die einzige Verkehrsanbindung ist, ergeht es dir nicht besser als dem Mädchen aus Bremen.

Das andere deutsche Girl aus dem Pub war eine Studentin für Landschaftsbau. Sie macht ein Praktikum in einem viktorianischen Garten – arbeitet dort ohne Bezahlung, könnte man auch sagen. Nach einem anfänglichen ‘Kulturschock über das schludrige und ungenaue Arbeiten der Iren’ gefällt es ihr hier mittlerweile ganz gut. […]

Gleich gehen wir spazieren und suchen ein Pferd. In diesem Jahr habe ich mich auf Bleistiftzeichnungen verlegt, die kann man auch unterwegs und im Pub machen. Bislang habe ich u.a. einen Gitarrenspieler sowie Jürgen im Cottage gezeichnet. Für einen Anfänger sind die Bilder ganz gut geworden, wenngleich die beiden nicht unbedingt wiedererkennbar sind. Jetzt will ich mich an einem Pferd versuchen. Da spielt die Wiedererkennbarkeit keine Rolle, Hauptsache es ist als Pferd erkennbar. Es weiß eh keiner, ob ich Lizzi oder Suzie gezeichnet habe — — —

Die Pferdemalerin, © 2013 Juergen Kullmann So, drei Stunden sind vergangen, und wir sind zurück! Nach einer längeren Wanderung über unsere Halbinsel hatte ich das ideale Malanfänger-Pferd gefunden: nur zwanzig Meter vom Wegesrand stand es da plötzlich, unbeirrt da wie eine Statue und bewegte sich kaum, bis es sich nach zwanzig Minuten erschöpft vom Modellstehen niederlegte, aufs Meer blickte und darüber sinnierte, ob es nun eine Kunstausstellung schmücken wird. Anbetracht der Tatsache, dass ich mich bis dato noch nie an ein Pferd getraut hatte, ist die Zeichnung ganz gut geworden. Und erst recht, wenn wann bedenkt, dass ich sie im Stehen bei Wind und Wetter mit dem Block in der einen und dem Bleistift in der anderen Hand angefertigt habe.

Doch jetzt mache ich erst einmal Schluss. Wir haben Hunger. Viele Grüße an alle!

Hildegard”

Der Chronist fährt fort

Am Abend im Angler’s Rest huscht unbemerkt von den anderen Gästen die Kreativität durch die Tür und setzt sich zu mien Deern, die der Musik von Frank und Kieran lauscht. Also zückt sie Skizzenblock und Bleistift – doch nur, um beides nach ein paar Strichen wieder wegzupacken. Es fehlt ihre die ruhige Ecke, in der keiner der Künstlerin über die Schulter schauen kann, sie selbst aber alles sieht. “Dann kann ich ja wieder gehen”, reagiert die Kreativität etwas eingeschnappt und macht sich von dannen. Wirklich schade, wo sich gerade jetzt eine echte Gertrude-Degenhardt-Gestalt vor uns niederlässt. Derweil singt Frank “for Hildegard” Isle of Hope, Isle of Fear.

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Montag, 17. Juni 2013

Anderthalb Stunden – mein Mädchen hat auf die Uhr geschaut – hat sie auf dem Bahnhof von Westport gewartet, bis er endlich ein paar Fotos im Kasten hatte. Wie oft und wie lange er schon in oder vor einem Mode- oder Schuhladen gewartet hatte, steht hingegen auf einem anderen Blatt.

Bahnhof Westport, Irland, © 2013 Juergen KullmannDer Himmel ist zwar bedeckt, doch hin und wieder dringt für einen kurzen Moment ein vereinsamter Sonnenstrahl durch die graue Wolkendecke und fällt auf das graue Gemäuer – vorzugsweise dann, wenn der Fotograf für ein Foto am falschen Ort steht. Immerhin bekommen wir eine Zugabfahrt mit, um 13.10 Uhr verlässt ein Intercity zur Dubliner Heuston Station den Bahnhof. Der nächste und letzte Zug des Tages startet kurz nach 18 Uhr. Auch eine Stunde nach Abfahrt des Mittagszugs sitzt die Fahrkartenverkäuferin noch hinter ihrem Schalter an der Rückwand des bis auf uns verwaisten Warteraums. Bis sich kurz vor 18 Uhr wieder Reisende anstellen, oder wird sie zwischendurch beim Warten abgelöst?

Viadukt Westport, Irland, © 2013 Juergen KullmannVor zwei Tagen erfuhren wir aus einem Zeitungsbericht, dass der Bahnhof von Westport zur freundlichsten und saubersten Bahnstation Irlands gewählt worden war – da muss vielleicht immer ein Ansprechpartner vorhanden sein, ob in den nächsten fünf Stunden ein Zug fährt oder nicht. Beim Einsteigen werden die Fahrgäste vom Schaffner mit einem Blick auf die Tickets persönlich an der Wagentür willkommen geheißen, und ehe der Herr Stationsvorsteher die Abfahrt des Zuges durch das Schwenken einer grünen Flagge freigab, wandte er sich an den Fotografen und fragte, ob er nicht auch mitfahren wolle. Der lehnte dankend ab und zog es vor, mit seinem Mädchen zu Fuß in die Stadt zu laufen und unterwegs das Viadukt zu fotografieren, über das es bis 1937 eine Bahnverbindung nach Achill Island gab. Ein Rad- und Wanderweg führt jetzt über die Brücke.

*  *  *

Nicht nur im Großraum Dublin kann man sich mit dem Auto verfahren, mit etwas Geschick gelingt das auch im irischen Westen. Wir haben dieses Geschick. Die Zufahrt zur Murrisk Abbey nicht zu finden, ist dabei noch die leichteste Übung. Erst wenn man nach dem Roonagh Pier Ausschau haltend Kilometer für Kilometer landeinwärts Richtung Killeen fährt, zeigt sich das wahre Können, denn wir wollen auf dem Rückweg von Westport via Louisburgh nach Renvyle einen Abstecher zum Fähranleger nach Clare Island machen. Bitte wenden, ordnet mien Deern schließlich an. Als wir schon fast wieder in Louisburgh sind, finden wir den Abzweig zum Anleger.

Es ist etwa zwanzig Jahre her, dass wir hier zuletzt standen. An den großen Parkplatz können wir uns nicht erinnern, sehr wohl aber an die am Wegesrand und auf den Wiesen stehenden, reifenlosen Schrottautos. Damals war diese Methode der Altauto-Entsorgung im Lande noch weit verbreitet. Seit der Jahrtausendwende schien sie ausgestorben zu sein, doch hier in Roonagh abseits der westlichen Zivilisation wird diese Tradition immer noch gepflegt.

Die Fähre nach Clare Island hat abgelegt. Ein Auto wurde zuvor per Kran an Bord gehievt, für die Passagiere blieb eine schmale Sitzbank. Südlich von Clare Island liegt in einem von der Sonne durchleuchteten Dunstkranz Inish Turk. Auf der im Gegenlicht schimmernden See löst sich ein kleines Schiff von der Insel und nimmt Kurs auf Roonagh. Wir wandern vorbei an den Schrottautos die Küste hoch und lauschen den Gesängen der Seehunde, die sich im flachen Wasser und auf den Felsplatten vor dem Ufer sonnen.

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Zwei Stunden später passieren wir auf dem halben Weg nach Leenaun im Abendlicht den Doonlough Pass. Fast regungslos glänzt der Schwarze See, ein Ausläufer des Maol Réidh spiegelt sich im dunklen Wasser. Leenaun liegt bei unserer Ankunft bereits im Schatten, doch südlich des Fjords taucht die Sonne noch einmal über dem Maol Réidh auf und lässt seine Hänge im Gegenlicht grün aufleuchten.

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Dienstag, 18. Juni 2013

in wolkenloser, blauer Himmel vor dem Frühstück, ein leicht bedeckter beim Frühstück und ein tristes Grau, als wir bei Rosroe an der Mündung der Killary Harbour aus dem Auto steigen und zu einem Spaziergang entlang des Fjords aufbrechen. Mien Deern versucht einige Schafe an der nur noch schwer auszumachenden ehemaligen Famine Road zu skizzieren, doch die Biester sind immer in Bewegung und bleiben einfach nicht in Position. Dann beginnt es zu regnen, und bald liegt der Maol Réidh jenseits des Fjords im Nebel.

Am frühen Nachmittag meldet sich die Sonne zurück. Wir kapern einen der beiden Biergartentische hinter dem von einer amerikanischen Studentengruppe aus Ohio gemieteten Nachbarcottage, tragen ihn vor unser eigenes und nehmen dort das Mittagessen ein. Wären die Irish Stews in irischen Pubs und Restaurants so lecker wie Hildegard’s Lamb Casserole, hätte man sie schon längst in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Am frühen Abend geht es nach Clifden. Musik (unplugged) bei E.J. Kings mit Michael Carey und laut Ankündigung seinem Bruder Peter, der sich jedoch von einem Akkordeonspieler vertreten lässt. An sieben Tagen in der Woche tritt Franks Schwiegersohn neben seinem Lohnberuf als Klempner von 19 bis 21 Uhr hier auf, mittwochs, freitags und sonnabends folgt dann noch eine Session von 22 bis 0.30 Uhr. Wann da wohl Zeit für Frau und Kinder bleibt? Immerhin ist er auch noch Mitglied der Feuerwehr und der Live Boat Crew.

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Mittwoch, 19. Juni 2013

So grau wie gestern geht es in den Tag, doch anderes als gestern bleibt es trocken. Wir brechen zu einem Spaziergang über das Moor nördlich des Ballynakill Harbour auf. Der Beginn des Pfades ist weiter zugewachsen und noch schwerer zu finden als im vergangenen Jahr. Niemand begegnet uns. Auch am Derryinver Quay am Ende des Weges ist keine Menschenseele zu sehen, selbst der Hund vom Haus an der Ecke lässt sich nicht blicken um uns anzukläffen. Tag eins, nachdem die Menschheit die Welt verlassen hat.

E.J. Kings, Clifden, © 2013 Juergen KullmannAm frühen Abend sind wir wieder bei E.J. King’s, doch wie so oft ist der zweite Aufguss nicht so gut wie der erste. Dies gilt zum einen für die Musik, aber auch die ‘Große Starterplatte für zwei Personen’ ist nicht so lecker, wie sie gestern bei einem Paar am Nachbartisch aussah. Die Tanzeinlage eines jungen Paares tröstet darüber hinweg, doch so ganz glücklich wirkt mein Mädchen nicht, hatte sie doch nach dem gestrigen Abend mehr erwartet. Zum Glück hält der Erwerb einer Wolljacke aus dem Craftshop an der N59 zwischen Letterfrack und Clifden ihren Gemütspegel im positiven Bereich.

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Donnerstag, 20. Juni 2014

Das heutige Tagwerk: Kauf eines Haarföhns, nachdem sich der aus Deutschland mitgebrachte in der Früh mit einem eindrucksvollen Knall verabschiedet hatte. Ein guter Tag für ein solches Freizeitvergnügen, denn es regnet und die Berge liegen im Dunst, so dass die angedachte Besteigung des Mám-Éan-Passes ins Wasser fällt. Die Stationen des Kaufes:

Letterfrack, Veldon’s Hardware Shop: Ein Exemplar für 34 Euro im Angebot. Schauen wir erst mal weiter.

Clifden, Hardware Shop (gegenüber Lidl): Einer auf Lager, Kostenpunkt 39 Euro. Zu groß und zu teuer.

Clifden, Siobháns Homeware: Mit 30 Euro wären wir dabei, doch der in Letterfrack sah für nur vier Euro mehr sehr viel besser aus.

Clifden, SuperValu: Um Haare zu kräuseln und wieder zu glätten gibt es in der Hardware-Abteilung genug Gerätschaften, aber keinen einzigen Haarföhn. Das Phänomen erklärt sich bei einem Blick nach draußen: Haare zu trocknen lohnt in Irland nicht, denn sobald man vor die Tür tritt, sind sie wieder nass.

Und dann ist es da noch der kleine Elektroladen am Abzweig nach Ballyconneely. “Closed for Lunch till 2.30 pm” steht an der Tür. Um 2.40 pm ist sie immer noch verschlossen, doch eine Katze hockt hinter der Scheibe und schaut in den Regen, als ob sie auf jemanden wartet. Wir warten auch, Schutz suchend vor der Nässe unter dem Vordach von Stanley’s Woollen Shop auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Um 2.46 pm fährt ein Auto vor, eine Frau steigt aus und schließt auf. Wir folgen. Drei Haarföhns hat sie auf Lager, wir erwerben ein pinkfarbenes Reisemodell mit umklappbarem Griff für 21 Euro.

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Credit Book, © 2013 Juergen KullmannAm Abend in Paddy Coyne’s Pub. Ich blättere in einem der zerfallenden Bücher auf der Fensterbank. Ein Zettel fällt heraus, vermutlich als Lesezeichen dort hineingelegt. Es ist eine Auflistung der Kunden, die am 25. Februar 1948 im Laden nebenan angeschrieben haben. So erfährt man, dass das Royal Railway Hotel in Clifden am Ende jenes Tages bei Paddy Coyne mit 9£ 18 Shilling und 7 Pence in der Kreide stand. Bar bezahlt wurde zu jener Zeit wohl nur selten. Ich hole die Kamera und mache ein Foto von dem Zettel, ehe ich ihn in das Buch aus dem Jahr 1952 zurücklege – auch wenn es kaum jemanden kümmern würde, wenn ich ihn mitgehen lasse. Seit Jahren zerfällt auf der Fensterbank hinter mir ein altes Anschreibebuch mit den Einkäufen der Dörfler aus den 1950er und 60er Jahren, das so manche Rückschlüsse auf das Leben vor einem halben Jahrhundert zulässt. Bald dürfte nichts mehr davon übriggeblieben sein.

Amerikanische Studenten aus dem Nachbarcottage kommen herein und lassen sich mit den Rücken zu uns an der Bar nieder. Ihnen folgt die Kreativität und setzt sich zu meinem Mädchen. Diese greift zu Bleistift und Skizzenblock und zeichnet die eindrucksvolle Rückenpartie einer besonders dicken amerikanischen Maid.

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Freitag, 21. Juni 2013

Nach dem Frühstück, es ist gegen elf Uhr, regnet es nicht. Wir geben dem Mám Éan Pass eine neue Chance. Traffic Jam auf dem Weg zum Heiligen, und das bei diesem grauem Wetter. Mehrfach werden wir auf dem Weg zum Scheitel des Passes von jungen Leuten überholt.

Zuviel Gedränge an St. Patricks Bett und Quelle. Wir wandern unterhalb der Kapelle an ihnen vorbei zur Abbruchkante, schauen von einem Felsensitz ins Mám Valley und warten darauf, dass das jugendliche Volk in unserem Rücken den großen Patrick von Irland freigibt. Dann erweisen wir ihm die Ehre.

Mám Éan, © 2014 Juergen KullmannDer Himmel zieht sich weiter zu. Wir sitzen auf der Mauer unterhalb des Altars, den man neben der Felshöhle errichtet hat, in der St. Patrick der Überlieferung nach nächtigte, als er mit seinem Braumeister Mescan über den Pass nach Dublin zog, unter uns die Stationen eines Kreuzwegs, rechts das Inagh Valley und am Horizont das Meer. Ein junges Rucksackpärchen kommt den Hang hoch. An der obersten Station des Kreuzwegs knien sie mit gefalteten Händen nieder und beten.

Ist es der feuchte Nebel, der sich jetzt über die Maumturk Mountains legt, oder beginnt es zu regnen? Wir steigen den Berg zum Auto hinab. Als wir es erreichen, stellt sich die Frage nicht mehr. Der Himmel öffnet seine viel zitierten Schleusen, hat freundlicherweise gewartet, bis wir im Trockenen sitzen. Ein schlechtes Gewissen wegen seines Verhaltens bei unserer letzten gescheiterten Mám-Éan-Besteigung?

Die Occupy-Bewegung hat Irland erreicht, nun auch bei den Vierbeinern. Es begann mit einem Schaf, das heute Vormittag auf einspuriger Straße vor uns her trottete und unser Leben entschleunigte. Dann stand eine Kuh auf dem Fahrweg, hob interessiert ihr Haupt und dachte darüber nach, was sie mit uns anfangen soll. Passieren lassen oder nicht? Erst einmal genauer unter die Lupe nehmen! Sie schob den Kopf zum Seitenfenster und musterte die Insassen: “Sehen harmlos aus, keine Beefeater, dürfen vorbei”. Schwein gehabt!

Und jetzt rollen wir im Schritttempo hinter einer Pferdemutter mit ihrem Fohlen her, die urplötzlich vor uns auftauchten. Nach einigen hundert Metern führt sie ein Farmer durch ein Gatter auf eine Weide.

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Weitere Reiseberichte


Reiseberichte Irland: Connemara 2013
© 2014 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 16.09.14