Irisches Tagebuch 2014

Watering the Horses

 

Sonnabend, 21. Juni 2014

Eileen Óg an Nis Puk – Brief aus Irland

MPoster nach Suzie Sullivanoin Nis Puk — Es tut mir leid, dass du so lange auf meinen Brief warten musstest, aber ich hatte schrecklich viel zu tun. Zweimal musste ich meine Leute nach Galway scheuchen, bis ich endlich alles zusammen hatte:

Das erste war ein Bild von einem Konzert der All Ireland Sheep Champions auf dem Moor, an dem ich als Gastschaf aus Nordfriesland teilgenommen hatte. Du kannst dir ja schon einmal überlegen, wo in deinem Haus du es hängen haben möchtest. Und dann habe ich ein ganz tolles Vogelhaus mit einem Kupferdach für deinen Garten entdeckt und einen Halter für deine Uns-Huus-Postkarten in der Diele besorgt. Ganz toll, kann ich dir sagen. Aus dem können sich deine Feriengäste Ansichtskarten von uns Huus nehmen und in die Welt hinaus schicken, damit auch alle wissen, was für ein schönes Haus du hast. Wenn wir dann im Juli nach Tönning kommen, bringen wir die ganzen Sachen mit.

Soviel für heute. Viele Grüße aus Connemara auch an dein Klabautermädchen Henrietta, Jan Hinrich, Paddy-the-Sailor, Shaun das Schaf und alle anderen von

Eileen Óg, Reise- und Navigationsschaf”

Der Chronist fährt fort

Derweil Eileen Óg im Lehnstuhl schaukelt und ihr Geschenk für Nis Puk mit irischen Ansichtskarten testet, besorgen wir in Letterfrack ein paar Zutaten fürs Abendessen und fahren in den Connemara National Park. Bei grau bedecktem Himmel verzichten wir auf eine Wanderung über den Grat des Diamond Hill und begnügen uns mit dem blau auf der Übersichtskarte eingezeichneten Lower Diamond Hill Walk. Dort, wo der Upper Walk zur Kuppe abzweigt, lassen wir uns auf den Holzplanken des Steges über dem Moor nieder, vertilgen eine Packung von McAllister’s Short Breads und genießen die Aussicht über den Ballynakill Harbour und Tully Mountain.

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Sonntag, 22. Juni 2014

Aus den Tiefen des Internets drang vor einigen Wochen zu uns die Meldung, dass an diesem Wochenende ein privater Walled Garden bei Tourmakeady am Lough Mask für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

Kurz vor dem Ortseingang von Tuar Mhic Éadaigh (dt.: Mac Éadaighs Bleichwiese), wie der Ort mit seinen rund tausend Einwohnern in der ersten Landessprache heißt, weist ein Schild ‘Garden Open’ auf eine schmale, vielleicht eine halbe Meile lange Zufahrt, die an einer zum Parkplatz umgewidmeten Wiese endet. Es ist auf die Minute 1 pm, die angekündigte Öffnungszeit von Drimbawn Garden. Neben uns steigt ein Father Brown aus einer Luxuskarosse mit Stern, meint schmunzelnd zu uns herüberblickend “Early Birds” und vertieft sich in ein Gespräch mit dem jungen Mann am Eingang des Anwesens, der uns beim Passieren Etiketten mit dem Aufdruck Clewbay Garden Trail an die Pullover heftet, womit wir zum Betreten des Landsitzes legitimiert sind. Zum Dank schieben wir eine Fünf-Euro-Note in eine bereitstehende Spendenbox mit der Aufschrift For local community work.

Der Weg in den Garten führt durch eine Art Pförtnerhaus, das Garden Office, wie wir eine Minute später vom Head Gardener erfahren, den wir zuvor hinter einem der Fenster sitzen sahen und vor zwölf Jahren als Deputy Head Gardener von Kylemore Abbey kennen gelernt hatten.

Frank hat sich in all den Jahren kaum verändert, scheint keinen Tag älter geworden zu sein – oder bilden wir uns das nur ein, weil die Altersdifferenz gleich geblieben ist? Er kommt aus seinem Büro und erzählt, dass der englische Schauspieler Robert Shaw bis zu seinem Tod im Jahr 1978 hier lebte – wir hatten noch nie von ihm gehört. Inzwischen gehört das Anwesen dem größten Champignon-Produzenten des Landes. 1997 hatte er es für mehr als eine Million Euro für sich und seine Familie als Wochenendsitz ersteigert und gibt sich am heutigen ‘Tag der offenen Gartenpforte’ die Ehre, auf der Terrasse vor seinem Haus zu Tee, Kaffee und Scones einzuladen.

Drimbawn GardenWie der ummauerte Garten von Kylemore Abbey liegt auch der von Drimbawn House an einem sonnigen Südhang, wenngleich sich die Sonne heute hinter einer Wolkendecke verbirgt. Rechts vom Garten befindet sich eine Obstwiese und links von ihm oberhalb einer Niederung mit weidenden Schafen steht auf einem kleinen Hügel vor einem Wäldchen das Herrenhaus. Spaziert man den Hauptweg des Gartens hinunter, öffnet sich eine Pforte zu einer ausgedehnten Blumenwiese vor dem Loch Mask. Leider ist der Himmel arg grau, so dass unsere Fotos ein wenig trüb ausfallen.

Wir haben unseren Rundgang durch den Garten beendet, sind an den Schafen vorbei zum Haus hochgestiegen und lassen uns von den Töchtern des Hauses bewirten. “Would you like tea or coffee?” fragt ein freundliches junges Gesicht die beiden Deutschen, die sich schüchtern auf der Terrasse umsehen. “And … maybe a scone?” “Comes along with tea and coffee”, lächelt uns die Tochter des Hauses entgegen. Und das alles für drei Euro, die man unaufgefordert in einen offenen Topf auf der Terrasse wirft, wenn man es denn nicht vergisst. Was da mit dem Tee und Kaffee kommt, ist beachtlich: Zwei bebutterte Sconehälften mit einem Töpfchen home-made Himbeermarmelade und zwei kleinen Kuchenstückchen. Lecker!

Der Hausherr – wenn es denn derjenige ist, den wir nach längerer Beobachtung dafür halten – sieht so gar nicht so aus, wie sich der geneigte Leser der Wochenendbeilage der Irish Times ein Mitglied des Geldadels vorstellt, eher wie ein zwar selbstbewusster, dabei aber unaufdringlich-freundlicher ‘ganz normaler Mann aus dem Volk’. Wir mehren seinen Reichtum, indem wir von einer Auslage eine 250-Gramm-Packung Champignons mitnehmen und dafür einen Euro in den Topf auf der Terrasse werfen.

*  *  *

Zurück nehmen wir einen anderen Weg über eine mehr als zwanzig Kilometer lange, schmale fast durchweg einspurige Straße quer durch die Partry Mountains bis zur N 59. Da heißt es beten, dass uns kein Fahrzeug entgegenkommt. Es hilft. Dann 2 × Mussels für fünf Euro vom Muschel- & Austernimbiss am Killary Harbour und am Abend ein Dinner im Paddy Coyne’s: Cod für mich und ein Goat Cheese Salad för mien Deern. Dazu ‘Watering the Horses’.

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Montag, 23. Juni 2014

Bezüglich der Gestaltung des Vormittags belasse ich es bei der Notiz, dass mien Deern der Zahnärztin am Stationhouse Courtyard einen Besuch abstattete und die Dame sich als freundlich und kompetent erwies. Derweil mein bedauernswertes Mädchen im Behandlungsraum sitzt, komme ich im Wartezimmer mit dem einzigen weiteren Patienten ins Gespräch, einem jungen Deutschen, der sich vor fünf Jahren als Heizungsbauer in Irland selbständig gemacht hatte und den heute ein akutes Zahnproblem zum ersten Mal in eine irische Arztpraxis führt. Krankenversichert sei er nicht, erzählt er, das sei in diesem Land zu teuer. Fast 1.100 Euro im Jahr müsste er für eine solche Versicherung berappen. Also gut 90 Euro im Monat, überschlage ich, doch ehe ich auf die Idee komme ihn über die Prämien deutscher Krankenkassen zu informieren, wird er nach nebenan gerufen.

*  *  *

Nach einem Bummel durch Clifden stehen wir am frühen Nachmittag erneut am Glassilaunstrand. Die Flut nähert sich ihrem Höchststand, und die kleine, dem Strand vorgelagerte Insel ist zu Fuß unerreichbar. Doch anders als vor einer Woche sorgen die den heißen Sand hochrollenden Wellen in Ufernähe für wärmeres Wasser, und mein Mädchen begibt sich in selbiges.

Renvyle Beach, © 2015 Hildegard Vogt-Kullmann

*  *  *

Eigentlich wollten wir heute selbst kochen, denn im Kühlschrank hat sich Einiges angesammelt, was bald verbraucht werden will. Nachdem jedoch mien Deern “nur so interessehalber” die Tageskarte vom Paddy Coyne’s studiert und für € 21,50 Hummer darauf entdeckt hat, wandern wir gegen halb sechs über die Straße in den Pub. Ein bisschen früh, aber für den Abend hat sich eine Flasche Wein in Begleitung von Anne Jack angesagt und wir wollen beide nicht vor verschlossener Tür stehen lassen.

Lobster also für mein Mädchen und für mich den Salat mit gegrilltem Ziegenkäse zu einem mit Knoblauchbutter überbackenem Baguette. “Heute mal anders herum?”, fragt die Landlady sich daran erinnernd, dass gestern die Dame den Ziegenkäse hatte. Der Hummer schmeckt der Dame zwar ganz gut, doch Crab Claws in Knoblauchbutter, lautet ihr Resümee, würden ihr mehr munden.

*  *  *

Wir haben die Cottagetür gerade wieder aufgeschlossen, als auch schon Anne Jack auftaucht. Da der Abend mild ist, stellen wir ein Tischchen vors Cottage, holen drei Stühle raus und lassen beim Wein die alten Zeiten Revue passieren. Was existiert noch von dem, was wir vor Augen hatten, als wir vor 22 Jahren hier saßen. Und was ist aus den Menschen geworden?

“The old ones are now dead and gone,
The younger turning grey …”

heißt es in einem Lied, das wir vor fast einem Vierteljahrhundert bei unserem ersten Pubbesuch auf der anderen Straßenseite im Angler’s Rest hörten. Die Bar hat sich nicht geändert, nur dass die damalige Landlady nicht mehr hinter dem Tresen steht und wir sie nur noch auf dem Friedhof von Renvyle Head besuchen können. Wie auch Charlie O’Malley, den wir fünfzig Meter weiter links an der nicht mehr existierenden Tanksäule vor Brians nicht mehr existierendem Laden seinen aktuellen Jahreswagen tanken sahen. Eine Tankmethode, die wir bis dato nicht kannten: den Zapfhahn in den Stutzen schieben, eine Weile das Benzin laufen lassen, den Zapfhahn herausziehen, das Auto schütteln, in die Tanköffnung spähen, den Zapfhahn wieder hineinstecken, und so weiter und so fort bis der Tank voll ist. Jahreswagen nannte man die Autos, die erfahrungsgemäß noch ein Jahr hielten ehe sie endgültig auseinander fielen. Für diesen Fall hatte Charlie stets einen zweiten in Reserve, hatte uns Rainer vom Rainbow House erzählt, doch der lebt auch schon nicht mehr. Auch den Laden des Butchers auf der anderen Straßenseite gibt es nicht mehr. Um die Jahrtausendwende wurde das Haus abgerissen. An seiner statt steht dort jetzt das Maol Réidh Hotel, das die Lücke zwischen den dem Angeler’s Rest und Paddy Coyne’s wieder füllt.

Nine Years is a long time lautet der Titel einer Erzählung von Norah Hoult, und zweiundzwanzig Jahre Tully Cross sind eine sehr viel längere. Vor zwei Jahren, zu unserem 20. Jubiläum, bekamen wir 20 % Rabatt. Wenn in drei Jahren das Vierteljahrhundert voll ist, werde sie uns das Cottage im Sommer für drei Wochen kostenlos überlassen, verspricht Anne Jack – und schon sitzen wir in der Falle. Keine Chance mehr, im nächsten oder übernächsten Jahr nach einer etwas besser gepflegten Unterkunft Ausschau zu halten. Und wenn man das Cottage einmal kostenlos bewohnt hat, kann man im Folgejahr auch nicht fortbleiben.

Doch wahrscheinlich haben wir so oder so keine Chance, uns im Umfeld von Tully Cross eine andere Bleibe zu suchen. Fast jeder im Dorf ist Anteilseigner von ‘Renvyle Thatched Cottages’ – könnten wir da nach einem Fremdgehen überhaupt noch jemanden ins Gesicht sehen? Maggie und Noel von nebenan, Brian, den ehemaligen Shopkeeper? Würden uns Gerard vom Paddy Coyne’s noch ein ‘welcome home’ wünschen und Patrick Sammon und seine Tochter Milch-und-Honig ein ‘welcome back’ im Angler’s Rest?

“Nein, das geht nicht, wenn man als Tourist zu einer Institution geworden ist”, meinte gestern Headgardener Frank in Tourmakeady, der selbst eine Weile in Tullycross gelebt hatte. Und so werden wir Renvyle Thatched Cottages wohl als Juni-Mieter erhalten bleiben.

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Dienstag, 24. Juni 2014

Warum geht es heute noch einmal nach Roundstone? Die Frage ist leicht zu beantworten: weil sich die Fahrt zurück wunderbar mit einem Stopp bei Keogh’s in Ballyconneely verbinden lässt, wo es dieses wunderbare Minteis mit Schokoladen-Stückchen gibt. Und das genießen wir dann auch, im Rucksack eine Vase zweiter Wahl aus der Pottery neben der Niederlassung des Roundstoner Bodhránfabrikanten.

Da uns Anne Jack gestern Abend neben der Flasche Wein noch frischen Fisch mitgebracht hatte, geht heute kein Weg daran vorbei, dass wir selbst kochen. Es gibt:

Seezungenröllchen am Spieß
zu
Mixed Salad & Crab Meat

Köstlich! Und mindestens genau so köstlich, meint die Cottagekatz, sei die ihr überlassene Fischhaut mit dem, was daran hängen geblieben ist.

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Mittwoch, 25. Juni 2014

Lange geschlafen und draußen auf der Wiese hinter dem Cottage gefrühstückt. Ein solches Frühstück zieht sich immer hin: Nicht nur, dass der ganze Kram heraus und wieder hineingetragen werden muss, ums Cottage herum durch die Tür oder durchs Fenster, man mag es auch bei der Aussicht auf die Berge Mayos und Connemaras nicht beenden, wenn man beim letzten Kaffee die Zeitung zum dritten Mal von vorn nach hinten durchgeblättert hat. Und wenn dann der Tisch draußen abgeräumt und das Geschirr gespült ist, zeigt die Uhr 1 pm an, sofern man eine hat.

Es ist zwar nicht sonnig, aber bei bedecktem Himmel sehr warm. Heute Abend soll es regnen. Wir machen uns auf, Johnnie auf dem Friedhof von Mullaghgloss zu besuchen und Jackie Jack, wie Johnnie in Schottland geboren, unsere Referenz zu erweisen, der daselbst im April sein final home gefunden hat. Wie üblich machen wir daraus einen Rundweg, biegen nach einigen hundert Metern von der Lettergesh Road Richtung Pebble Strand ab. Ehe er erreicht ist, geht es erneut nach rechts auf einen schmalen, einspurigen Fahrweg, der im Bogen oberhalb der Bucht die Küste entlang führt, bis er am Friedhof wieder in die Straße nach Lettergesh mündet. Nur wenige Häuser stehen beidseits des Weges, linkerhand mit Blick über sie hinweg aufs Meer und rechterhand hinter Büschen und Bäumen verborgen.

Von rechts kommt ein Auto aus einer verborgenen Zufahrt. Wir treten beiseite um es passieren zu lassen, doch es stoppt und fährt in die Auffahrt zurück. Gerard steigt aus, der Sohn des seligen Paddy Coyne aus Tully Cross und Erbe des Pubs. Aus den Aufzeichnungen meines Mädchens:

Was macht der denn hier? frage ich mich und “What are you doing here?” ihn. “It’s my home, will you see it?” Und ob ich will! Wir wissen, wie man sich als stolzer Hausbesitzer fühlt, sind neugierig, folgen ihm in den Garten und betreten das Haus von der Rückseite her durch eine Art Hauswirtschaftsraum. Irisch! Dahinter eine irisch-englische Küche mit alten Balken unter der Decke und einem alten Fenster. Der englische Gasherd hat vermutlich mehrere tausend Euros gekostet, habe oft genug Werbung für solche ‘kitchen stoves’ in ‘Homes and Gardens’ gesehen. Viele antike und alte Deko-Gegenstände. Überall sind alte Türen, Türrahmen und Balken in dem neuen Haus verbaut, und auch die historische Treppe dürfte sich freuen, einem Abbruchhaus entkommen zu sein – wie lange Gerard wohl danach gesucht hat?

Das Haus hat Atmosphäre, unbestritten, ist aber auch etwas ‘irisch’. Auf den Teppichboden im Obergeschoss hätte ich verzichtet, schon allein wegen der Hundehaare, die sich so hübsch von seinem Rot absetzen. Beindruckend auch das Wohnzimmer, mit seiner hohen Decke, der Empore und drei Meter hohen (gefüllten) Bücherregalen. Da leuchten die Augen meines Liebsten!

Gerards Haus, © 2014 Juergen KullmannWir gehen nach draußen. Ein superschöner Garten in Hanglage umgibt das Haus. Kein Asphalt und Beton um das Gebäude, wie es in diesem Land so beliebt ist, sondern hübsch angelegte Beete und Terrassen mit Blumen und lauschigen Winkeln. Es könnte alles zwar ein bisschen gepflegter sein, macht aber sicher auch viel Arbeit. Nach der Besichtigung des rückseitigen Gartens gelangen wir durch eine Hecke in den Gemüsegarten mit Hochbeeten und dann in einen Hohlweg. Wir sind auf Gerards ‘Woodland’. Wie groß mögen seine Ländereien wohl sein? Vorne rechts auf einem Hügel baut er sich gerade eine Terrasse mit Windschutzmauer. Hier in der Abendsonne bei einem Glas Rotwein sitzen und aufs Meer schauen – was könnte schöner sein?

Heute jedoch ist der Himmel grau. Wir verlassen den stolzen Hausbesitzer und wandern weiter zum Friedhof.

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Donnerstag, 26. Juni 2015

Wie oft sind wir eigentlich schon um Ashford Castle gelaufen? Viermal, fünfmal? Doch immer nur um das Schloss herum, ohne zu wissen, wie groß die Parkanlage ist und was alles dazugehört.

Falknerei Ashford Castle, © 2014 Juergen KullmannBis heute. Der Himmel ist grau, und immer wieder regnet es ein wenig. Das Schloss, in seiner heutigen Gestalt vor 150 Jahren durch Nachfahren des legendären Gründers der Guinness Brauerei auf den Resten einer Burg aus dem 13. Jahrhundert wiederaufgebaut und erweitert, haben wir schon oft genug fotografiert, also wandern wir am Eingangsportal vorbei über einen breiten Parkweg in die weitläufige Anlage. Mehr als ein Dutzend Rasenkanten-Stecher, Unkrauthacker und Parkwegharker sind am Werk, treten freundlich beiseite um uns passieren zu lassen. Ein Schild weist zu einer Falknerei, ein Hinweis aus alten Zeiten, oder gibt es sie noch? Es gibt sie noch. Ein junges Mädchen trainiert gerade einen Vogel, der allerdings nicht nach einem Falken sondern nach einer Eule aussieht, und kommt uns mit dem Tier auf dem Unterarm entgegen. Mien Deern spricht sie an und fragt nach der Gattung. Es handelt sich um eine Eagle Owl, erfahren wir. So etwas gibt es? Wir hatten noch nie von einer ‘Adlereule’ gehört – kein Wunder, denn später verrät uns das Wörterbuch, dass es sich dabei um einen Uhu handelt.

Eingang Asford Garden, © 2014 Juergen KullmannWir gehen ein Stück zurück und blicken durch Büsche am Wegesrand in einen etwas tiefer liegenden, von einer Mauer umgebenen Garten. Wo ist der Eingang, oder handelt es sich um den Secret Garden aus dem vor mehr als hundert Jahren erschienenen Buch von Frances Hodgson Burnett? Wir biegen auf einen Seitenweg ab, der vor einem gemauerten Torbogen in einem Erdwall endet. Von weitem sehen wir, dass man nicht hindurchschauen kann – ist er verrammelt, verbarrikadiert, der Garten verschlossen? Nein, kein Tor versperrt den Zugang zum Garten, wie wir aus der Ferne glaubten, sondern der Gang führt im Bogen durch den Wall, so dass man von dem einen Ende das andere nicht sieht. Ein ‘geheimer Garten’, der ein bisschen besser gepflegt und gestaltet sein könnte, meint mien Deern. Da sollte man Gärtner Frank mal walten lassen!

Scotland the Brave, es ist der wohl bekannteste schottische Marsch, der uns entgegenschallt. Als wir auf dem Rückweg nach Cong das Schloss passieren, rücken angeführt durch eine Bagpipe-Kapelle die in Kilts gekleideten schottischen Truppen von James II an, um Asford Castle zu übernehmen. Es folgt ihnen ein Brautpaar.

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Freitag, 27. Juni 2014

in einsamer weiter Sandstrand am frühen Morgen, irgendwo in Irland, es könnte auch St. Peter-Ording sein. Ein kleines Mädchen kommt mit einer Muschel in der Hand auf mien Deern zugerannt, reicht sie ihr hin. “Kannst du mir sagen, wie lange der Postbote nicht mehr kommt?” “Aber klar doch.” Mein Mädchen nimmt die Muschel und zählt die Rillen. “Sieben Tage lang wird er jetzt nicht mehr kommen.”

Ein Traum, den mir mien Deern heute beim Aufwachen erzählt. Und damit ist wieder einer jener schrecklichen letzten Tage angebrochen, ehe es morgen auf den Rückflug nach Deutschland geht. Am Vormittag räumen wir unseren privaten Kram auf den Dachboden, dann starten wir zu einem ‘letzten Ausflug’.

Wir wollen nach Omey Island, doch der Regen in der Früh hat trotz Ebbe den Weg über den Meeresboden ohne Gummistiefel unpassierbar gemacht. Was tun? “Es wäre doch gelacht, wenn sich nach gerade einmal zweiundzwanzig Jahren kein Flecken mehr finden ließe, an dem wir noch nicht waren”, meint mein Mädchen, “und zwar einen trockenen.”

Aughrus Point, © 2014 Juergen KullmannNach einem kurzen Studium der Karte fahren wir ein Stück zurück in Richtung Cleggan und lassen das Auto an der Einmündung einer kleinen Straße stehen, die zu einem Aughrus Point führt. Ein schmaler, einspuriger Fahrweg, hier und dort ein einsames Anwesen. Halbrechts voraus taucht ein See auf, Aughrusbeg Lough, ein Abzweig des Weges führt um ihn herum. Vielleicht im nächsten Jahr, in diesem wollen wir zum ‘Point’! Ein Holländer vermietet ein Haus mit Blick auf den See, wir notieren uns die auf das rote Gartentor gemalte Internetadresse – man weiß ja nie. Dann zeigt sich linkerhand eine Cottageruine, die fotografiert werden will. Mein Mädchen mit ihrer Engelsgeduld muss warten.

Aughrus Point, © 2014 Juergen KullmannDer befestigte Fahrweg ist zu Ende. Über Stock und Stein geht es auf die Landzunge hinaus. Wir stehen am Atlantik. Irgendwo dahinten liegt Hy Brasil, die Insel des Friedens und der Harmonie, auf der Pflanzen und Bäume Blüten tragen und alle Früchte und Steine Edelsteine sind. Völlig von Nebel umschlossen und nur alle sieben Jahre an einem Tag sichtbar, wurde sie der Sage nach im sechsten Jahrhundert von keltischen Mönchen entdeckt. Nicht weit von uns erhebt sich ein keltischer Steinkegel, den wir um zwei weitere Steine erhöhen, auf dass das Schicksal uns auch im nächsten Jahr wieder zum Tränken der Pferde in den Westen Irlands verschlägt.

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Weitere Reiseberichte


Reiseberichte Irland: Connemara 2014
© 2015 Jürgen Kullmann – Letzte Bearbeitung: 14.10.15